"Wer schön ist, das ist doch Geschmackssache"

Jedes dritte Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren leidet an einem gestörten Essverhalten. Beim Mitmachtheater "Soulfood" soll mit Schönheitsidealen aufgeräumt werden.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
"Soulfood" ist Mitmachtheater im besten Sinne. Zwischen den Szenen diskutieren die Schauspieler mit ihrem Publikum über Schönheitsideale.

"Soulfood" ist Mitmachtheater im besten Sinne. Zwischen den Szenen diskutieren die Schauspieler mit ihrem Publikum über Schönheitsideale.

© Smith

Benny hat einen Traum: Er möchte Popstar werden. In Wirklichkeit ist er jedoch alles andere als ein Star. Seine Mitschüler mobben ihn, er leidet unter der Abwesenheit seines Vaters. Seinen Frust frisst er buchstäblich in sich rein - mittels Chips, Keksen und anderem Junk-Food.

Auch Phia hat einen Traum: Sie möchte von ihrer Mutter anerkannt werden. Die findet ihre Tochter eher fett und dumm. Phia antwortet darauf mit Diäten und überzogenem Sport. Erst als sich die beiden Teenager gegenseitig den Spiegel vorhalten, lernen sie, dass ihr Verhalten gefährlich ist, weil sie auf eine kranke Umwelt mit ungesundem Essverhalten reagieren.

Das Geschenk der Mutter: ein Kleid in XS

"Soulfood" lautet der Titel jenes Theaterstücks, das die Geschichte von Benny und Phia erzählt. In Zusammenarbeit mit dem Bamberger Jugendtheater Chapeau Claque bringt das Frankfurter Zentrum für Essstörungen "Soulfood" ins Klassenzimmer.

(li.) Phia will ihrer Mutter gefallen und Top-Model werden. Sie zwängt sich in Kleidergröße XS. (re.) Benny möchte mit seiner E-Gitarre groß rauskommen. Mindestens "Superstar".

(li.) Phia will ihrer Mutter gefallen und Top-Model werden. Sie zwängt sich in Kleidergröße XS. (re.) Benny möchte mit seiner E-Gitarre groß rauskommen. Mindestens "Superstar".

© Smith

Gefördert wird das Präventionsprojekt vom Frauenreferat der Stadt Frankfurt. In einem Zeitraum von einem Jahr wird "Soulfood" insgesamt 18 Mal an Gymnasien, Haupt- und Realschulen, Integrierten Gesamtschulen sowie offenen Mädcheneinrichtungen in Frankfurt und Umgebung gezeigt.

Bei der Aufführung in der Friedrich-Ebert-Schule im Frankfurter Stadtteil Seckbach sitzen rund 50 Mädchen zwischen zwölf und 13 Jahren im Publikum. In der Anfangsszene bekommt Phia von ihrer Mutter ein neues Kleid geschenkt, in XS, "damit kannst du sogar bei ‚Germany's next Topmodel‘ auftreten", hört man die Stimme der Mutter.

Benny übt derweil E-Gitarre, er würde gern bei "Deutschland sucht den Superstar" groß rauskommen. Nach dieser Szene wenden sich die Protagonisten an ihr Publikum, fragen die Schülerinnen, welche Casting-Shows ihnen bekannt sind, was es heißt, "schön" zu sein, und wer das letztlich bestimmt. "

Was schön ist, ist doch Geschmackssache", antwortet ein Mädchen.

Ihr Freundin meint: "Heidi Klum gibt nur 'ne Note, wie die Models äußerlich sein sollten, aber sie weiß doch gar nicht, wie es in ihnen drinnen aussieht." Mit Mobbing haben nahezu alle Schülerinnen Erfahrung und können auch benennen, welche Ursachen am häufigsten sind: Anderssein und Gruppendruck.

Letztlich, so haben die Mädchen begriffen, leisten auch die vernichtenden Urteile einer Heidi Klum oder eines Dieter Bohlen dem alltäglichen Mobbing Vorschub.

"In Deutschland nimmt die Zahl der jungen Menschen, die unter einer Essstörung leiden, deutlich zu", sagt Sigrid Borse, Geschäftsführerin des Frankfurter Zentrums für Essstörungen. "Bereits jedes dritte Mädchen im Alter von 14 bis 16 Jahren leidet heute unter einem gestörten Essverhalten."

Die Ursachen von Bulimie oder Anorexie sind vielfältig. "Die alarmierenden Fakten zeigen, dass wir mit kreativen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention von Essstörungen frühzeitig ansetzen müssen", so Borse.

Was schätzt du an deiner besten Freundin?

Am Ende von "Soulfood" fragt Darsteller Matthias Wichert seine Zuschauerinnen, was sie an ihrer besten Freundin vor allem schätzen. "Sie hilft mir", antwortet eine Schülerin. "Ich kann ihr vertrauen", sagt eine andere. "Weil ich mit ihr Spaß haben kann", erwidert eine Dritte. "Weil ich mit ihr alles bereden kann", meint eine Vierte.

Nach der Aufführung verteilt Andrea Reitz, Projektleiterin vom Frankfurter Zentrum für Essstörungen, Informationen zu Beratungsangeboten ihrer Einrichtung und appelliert an die Mädchen: "Wenn ihr euch über das Essen sehr viele Gedanken macht, wenn ihr eine Diät erwägt, oder euch um eine Freundin Gedanken macht, die das tut, kommt in unsere Jugendsprechstunde! Eine Beratung gibt es auch im Internet."

www.essstoerungen-frankfurt.de

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