Ermittlungen

Hilfspfleger soll Senioren mit Insulin getötet haben

Ein Hilfspfleger spritzt zwölf Senioren Insulin, das sie gar nicht brauchen – sechs davon sterben. Der Mann gesteht, bestreitet aber eine Tötungsabsicht. Die Ermittler finden ein sonderbares Motiv.

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Mordwerkzeug Insulinspritze – ein Hilfspfleger soll damit sechs Senioren getötet haben.

Mordwerkzeug Insulinspritze – ein Hilfspfleger soll damit sechs Senioren getötet haben.

© weyo / stock.adobe.com

MÜNCHEN.Ein Hilfspfleger soll fünf alte Männer und eine Seniorin in ganz Deutschland mit Insulin ermordet haben. Das ergaben Ermittlungen gegen den 36-Jährigen aus Polen, der seit Februar in Untersuchungshaft sitzt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Dienstag in München mitteilten. Drei der Morde soll der Mann in Bayern, außerdem je einen in Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und Niedersachsen begangen haben.

Die Ermittler werfen dem an insgesamt 68 Orten beschäftigten Pfleger zudem drei versuchte Morde und drei Fälle der gefährlichen Körperverletzung vor. In allen Fällen spritzte der Mann betreuten Senioren im Alter zwischen 66 und 91 Jahren Insulin, obwohl diese das gar nicht brauchten. Sechs der zwölf starben. Auch soll er Klienten vor allem um Bargeld und Schmuck bestohlen haben. Der Beschuldigte gestand die Taten, bestritt aber eine Tötungsabsicht.

Der Fall weckt Erinnerungen an den ehemaligen Krankenpfleger Niels Högel, der mehr als 100 Patienten umgebracht haben soll und sich seit zwei Wochen erneut vor dem Landgericht Oldenburg verantworten muss.

Der mutmaßliche Insulin-Mörder flog durch den Tod eines 87-Jährigen im bayerischen Ottobrunn im Februar auf, woraufhin auch an den vorigen Einsatzorten des Hilfspflegers nachgeforscht wurde. Durch einen Aufruf der Polizei an die Öffentlichkeit wurden 23 weitere Beschäftigungen des Hilfspflegers bekannt. In vier der Fälle starb ein Mensch. Drei Leichen wurden im Laufe der Ermittlungen exhumiert.

Der 36-Jährige hatte sich nach den Erkenntnissen der Ermittler seit Mai 2015 in Deutschland um pflegebedürftige Personen gekümmert, zur 24-Stunden-Pflege zog er bei den Patienten auch ein.

Mord statt Kündigung?

In der Regel habe er nach kurzer Zeit festgestellt, dass ihm „dieser Arbeitsplatz nicht so liegt“, sagte Oberstaatsanwältin Anne Leiding. Zu den Gründen zählten beispielsweise Besucher der Gepflegten, fehlendes W-Lan, das Essen, das ihm nicht schmeckte, oder dass er mehrfach in der Nacht aufstehen musste. Manchmal habe er sich überlastet gefühlt mit den Anforderungen und den Aufgaben, die an ihn gestellt wurden, sagte Josef Wimmer von der Mordkommission.

Der Pfleger wollte demnach weg von den Arbeitsstellen, die ihm nicht gefielen. Im Falle einer Kündigung hätte er jedoch teilweise mit vertraglichen Strafen rechnen müssen. Um den zu entgehen, habe er das Insulin verabreicht. So wurden die Patienten zum Notfall und er konnte von einem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen, erklärten die Ermittler. „Nach unserem Stand der Ermittlungen nahm er den Tod der Betreuten durchaus billigend in Kauf“, sagte Wimmer.

Die Ermittlungen werden voraussichtlich noch bis zum Frühjahr dauern. Der Beschuldigte sitzt weiterhin in Untersuchungshaft, gegen ihn wurde Anfang November ein erweiterter Haftbefehl erlassen. Die Polizei geht davon aus, dass die Festnahme des Hilfspflegers weitere Taten verhindert habe. Denn der Mann habe nach dem Pflegeeinsatz in Ottobrunn bereits eine neue Beschäftigung in Aussicht gehabt. (dpa)

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