Wiederbelebung

Bei Herzstillstand nichts zu tun, ist immer falsch

Die Deutschen sind bei der Reanimation nach Herzstillstand ein zögerliches Volk. Ängste, als Laie etwas falsch zu machen, sind unbegründet,

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Bei einer sofortigen Reanimation können etwa 17 Prozent der Patienten mit Herzstillstand später gesund oder nur mit kleinen Beeinträchtigungen die Klinik verlassen.

Bei einer sofortigen Reanimation können etwa 17 Prozent der Patienten mit Herzstillstand später gesund oder nur mit kleinen Beeinträchtigungen die Klinik verlassen.

© annems / Fotolia

KIEL/NÜRNBERG/MÜNCHEN. Oft zögern die Deutschen, wenn es um die Reanimation bei einem Herzstillstand geht. Dabei zählt dieser zu den zeitkritischen Notfällen, bei denen Arzt oder Sanitäter nicht immer rechtzeitig zur Stelle sein können.

Mindestens 50.000 Menschen sind pro Jahr allein in Deutschland betroffen. Diese Anfahrtsminuten zu überbrücken wäre wünschenswert, sind sich Ärzte einig.

Immerhin können nach aktuellen Daten bei sofortiger Reanimation etwa 17 Prozent der Patienten die Klinik am Ende gesund oder mit nur kleinen Beeinträchtigungen verlassen. Dauert es bis zur Reanimation fünfzehn Minuten, sind es nur noch ein bis zwei Prozent.

Reanimationsregister sammelt Fälle

„Wenn jemand einen Herz-Kreislauf-Stillstand hat, ist das, was man im Wesentlichen falsch machen kann, nichts zu tun“, resümiert Dr. Jan Wnent vom Institut für Rettungs- und Notfallmedizin an der Universitätsklinik Schleswig-Holstein in Kiel im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

Die Einrichtung wirkt an der europaweiten Auswertung European Registry of Cardiac Arrest (EuReCa) des European Resuscitation Council (ERC) mit, einer der größten Studien zum Thema. Die deutschen Daten dafür stammen aus dem ab 2007 gestarteten Deutschen Reanimationsregister.

Bundesweit können sich dort Kliniken, Notarztstandorte und Rettungsdienste freiwillig mit ihren Informationen beteiligen. Bisher enthält das Register etwa 110.000 Fälle. „Es könnten mehr sein“, stellt Pressereferent Dr. Christian Hermanns von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) in Nürnberg fest. Je mehr mitmachen, desto besser die Daten.

Erste Auswertungen wiesen 2010 darauf hin, dass die Deutschen zögerliche Ersthelfer sind, mit einer Quote von nur 15 Prozent. Im Jahr 2012 starteten der Berufsverband Deutscher Anästhesisten (BDA), die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und die Stiftung Deutsche Anästhesiologie die Kampagne „Ein Leben Retten“.

Inzwischen sind Verbesserungen erkennbar. Nach neueren Angaben beträgt die Ersthelfer-Quote nun etwa 40 Prozent. Allerdings erzielen Norwegen, Schweden oder Dänemark Quoten von bis zu 70 Prozent.

Auch Laien können helfen

Es gibt offenbar immer noch Gründe, die Laien an der Ersthilfe hindern. Eine oft geäußerte Sorge ist, sie könnten etwas falsch machen. Manche befürchten, jemand könnte sie wegen eines Fehlers verklagen. Solche Bedenken halten Ärzte für unbegründet.

Die Qualität einer Reanimation könne unterschiedlich sein, bestätigt etwa Wnent. Wenn aber kein medizinisch Qualifizierter zur Stelle sei, könne jeder helfen. Laien könnten einen Herzstillstand erkennen, wenn jemand nicht mehr atme und gar nicht auf Ansprache reagiere. Die empfohlene Herzdruckmassage sei einfach umzusetzen. Grundsätzlich könnten das Personen ab dem frühen Jugendalter bis ins relativ hohe Alter hinein.

„Auch wenn die Helfer nicht hundertprozentig die richtige Frequenz oder Tiefe treffen (…), ist Reanimation ein wichtiger Punkt“, so der Forscher. Sogar ohne die empfohlenen Atemspenden sei die Herzdruckmassage wirksam. Und: Ersthilfe durch Ärzte ist ebenfalls nicht immer gleich. „Da gibt es bestimmt Unterschiede“, so Herrmanns.

Notärzte trainierten die Reanimation regelmäßig und seien gut auf die Situation vorbereitet. Sie orientierten sich dabei an den aktuellen Leitlinien des ERC. Anästhesisten wiederum seien vorbereitet für den Fall, dass es bei einer Narkose Probleme gebe.

Reanimationstraining für Ärzte

Andere Ärzte oder Klinikmitarbeiter haben manchmal weniger Routine. Niedergelassene Ärzte müssen zwar regelmäßig Fortbildungen nachweisen, aber niemand gibt ihnen vor, ob Reanimationstraining oder andere notfallmedizinische Inhalte dabei sind.

Entsprechende Angebote halten etwa Ärztekammern für ganze Praxisteams vor. Notärzte sind sicher, dass sich die Laienhilfe fernab medizinischer Strukturen ebenfalls noch verbessern könnte.

„Natürlich gibt es immer wieder die Situation, wo man als Notarzt hinzukommt, und alle nur herumstehen“, sagt der Münchner Notarzt und Kardiologe Dr. Ulrich Hölzenbein der „Ärzte Zeitung“. Forscher Wnent hält seinerseits bessere Quoten für möglich. „Über 50 Prozent wären schon schön“, so der Arzt.

In den letzten Jahren sind neue Hilfsformate entstanden. So gibt es in Bayern und einigen Regionen in anderen Bundesländern nun beim Notruf die Option, sich telefonisch von der Leitstelle anleiten zu lassen. Zudem gibt es kostenlose Info-Apps, etwa vom Deutschen Roten Kreuz.

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