"Sie sind ein Stück schlanker Staat"

In seiner Grundsatzrede zum 100. Deutschen Ärztetag in Eisenach würdigt Bundespräsident Roman Herzog die ärztliche Selbstverwaltung als "ein Stück schlanker Staat und Partner in der gesundheitspolitischen Diskussion".

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Dem 100. Deutschen Ärztetag in Eisenach widmet die "Ärzte Zeitung" eine Sonderausgabe.

Eisenach, 27. Mai 1997. In der thüringischen Stadt, die schon viele Ärztetage beherbergt hat, trifft sich das höchste Beschlussgremium der deutschen Ärzteschaft Ende Mai 1997 zum 100. Mal.

Bundespräsident Roman Herzog spricht vom Vertrauen, das Ärzte bei den Menschen und in der Gesellschaft genießen, und anerkennt: "Dieses Vertrauen ist nicht zufällig entstanden; es ist erarbeitet."

Er definiert die besondere Rolle des Arztes so: "Niemand trägt so oft so unmittelbare Verantwortung für das Schicksal anderer. Und nirgendwo ist ein Gegenüber so sehr darauf angewiesen, das eigene Schicksal letztlich in andere Hände zu geben."

Deshalb erwarte er von der Ärzteschaft aktive Mitsprache in ethischen Fragen, etwa bei der Sterbegleitung. Denn der einzelne Arzt darf für seine Gewissensentscheidungen nicht auf den Rat von Strafrechtlern angewiesen bleiben.

Prägender Grundsatz müsse sein, dass "auch ein leidender, von Schmerzen geplagter, auch ein todgeweihter Patient seine Menschenwürde behält".

Die Leistungen der Medizin würdigt Herzog als "Erfolgsgeschichte" - aber für Ärzte und Patienten gebe es nicht immer ein "Happy End".

Millionenfacher Wettlauf mit dem Tod

"Immer wieder erleben Ärzte, wie sie im Kampf um ein Menschenleben Verlierer werden - daran dürfte sich auch in Zukunft nicht viel ändern." Herzog zieht daraus zwei Schlüsse.

Erstens: "Gesundheit ist zwar nicht planbar, aber sie ist planmäßig zerstörbar." Will sagen: Krankheit kann ein Schicksal sein, aber auch Folge unverantwortlichen Umgangs mit der Gesundheit.

"Wir reden merkwürdigerweise von Zivilisationskrankheiten - so als seien ausgerechnet Maßlosigkeit und mangelndes Verantwortungsgefühl die deutlichsten Zeichen von Zivilisiertheit."

Zweitens: Ärzte und medizinische Forschung dürfen nicht zu "Handlangern eines hedonistischen Zeitgeistes werden". In der Frage pränataler Manipulation bewege man sich auf einem "ganz, ganz schmalen Grat".

Das versteht Herzog aber nicht als Plädoyer für eine Verminderung der Forschungsanstrengungen. Vielmehr hält er es für unverantwortlich, den Blick nur auf Gefahren und Fehlentwicklungen zu beschränken.

"Eine nicht wahrgenommene Chance ist ein Risiko." Denn Millionen Menschen leiden an noch nicht heilbaren Krankheiten. "Das ist ein millionenfacher Wettlauf mit dem Tod, besser gesagt: ein Marathonlauf für das Leben." (HL)

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