Privatschulen erhalten immer mehr Zulauf

Von Harald Schmidt Veröffentlicht:

Unterrichtsausfall, mäßige Ergebnisse beim PISA-Test und unzureichende Ganztagsangebote: Die Entwicklung des staatlichen Schulsystems bereitet immer mehr Eltern in Deutschland Sorge - und läßt die Schülerzahlen an Privatschulen steigen.

"Dieser Trend wird sich fortsetzen", sagt Lothar Jordan, Hessens Landesvorsitzender des Bundesverbands Deutscher Privatschulen (VDP). "Dort sind die Schüler Kunden, die Lehrer sind engagierter, und die Ausstattung ist oft komfortabler." Unterrichtsausfall sei an den meisten freien Schulen ein Fremdwort.

Die Zahl privater Bildungseinrichtungen in Deutschland steigt seit Jahren stetig. Nach Daten des Statistischen Bundesamts gingen nach der jüngsten Erhebung 2004 bundesweit 622 000 Schüler auf 2686 allgemein bildende Privatschulen. 1992 waren es 445 600 Schüler auf 1991 Schulen. Zwar bekommen noch immer nur 6,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen eine private Schulbildung, ihr Anteil ist aber seit 1992 von 4,8 Prozent Jahr für Jahr gestiegen.

Nach Jordans Worten gewinnen auch Montessori- und Waldorfschulen an Gewicht. Norbert Handwerk, Landesgeschäftsführer der Freien Waldorfschulen in Hessen, sagt: "Immer mehr Eltern haben Angst, ihre Kinder könnten dem Druck auf dem Gymnasium nicht standhalten." In Waldorfschulen gibt es kein Sitzenbleiben, die Wahl der weiterführenden Schule nach der 4. Klasse fällt weg. Handwerk: "Das wirkt entlastend und stabilisierend auf Kinder."

Der VDP ist überzeugt, daß sich mehr Eltern für Privatschulen entscheiden würden, wäre das Angebot größer. Da neue Häuser aber in den ersten drei Jahren nicht bezuschußt würden, liege die Eintrittsbarriere sehr hoch. "In Deutschland ist es mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden, eine Privatschule zu eröffnen oder zu betreiben", sagt VDP-Geschäftsführer Christian Lucas.

Der Geschäftsführer des VDP-Landesverbands Sachsen-Anhalt, Jürgen Banse, sagt: "Gerade für Elterninitiativen ist die Anlauffinanzierung sehr schwer, weil sie häufig kaum Sicherheiten haben und Banken daher keine Kredite geben." Es wäre hilfreich, wenn nach der dreijährigen Gründungsphase rückwirkend Zuschüsse bezahlt würden. Nach VDP-Angaben erstatten derzeit Hessen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen 50 Prozent dieser Zuschüsse im Nachhinein.

In einigen europäischen Nachbarländern haben Privatschulen wesentlich mehr Zulauf. Nach EU-Daten aus dem Jahr 2001/2002 gingen in Frankreich knapp ein Fünftel der Schüler auf eine staatlich geförderte Schule in freier Trägerschaft, in Großbritannien 41 Prozent und in den Niederlanden etwa 70 Prozent. Der EU-Schnitt lag bei 20,1 Prozent. In Deutschland finde der Boom hingegen auf den Wartelisten statt. "Die meisten Privatschulen haben drei mal so viele Bewerber wie freie Plätze", sagt VDP-Sprecher Martin Kunze.

Trotz der Hürden gehen immer wieder Bildungseinrichtungen an den Start. Zum Schuljahr 2006/2007 nimmt beispielsweise in Frankfurt am Main eine dreisprachige Grundschule mit Kindergarten den Lehrbetrieb auf. Da Fördergelder noch nicht fließen, liegen die Gebühren mit 450 Euro im Monat relativ hoch. Im Bundesdurchschnitt kostet eine Schule mit Ganztagesbetreuung nach Kunzes Worten zwischen 300 und 400 Euro. (dpa)

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