Rösler hält nichts vom NC fürs Medizinstudium

Das Studium weniger auf technische Möglichkeiten, sondern mehr auf Menschen zu fokussieren - das fordert Philipp Rösler mit Blick auf die Ausbildung des Ärztenachwuchses.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Erläuterte seine Vorstellungen vom Medizinstudium: Philipp Rösler, hier mit Professor Martin Butzlaff (r.) von der Uni Witten/Herdecke

Erläuterte seine Vorstellungen vom Medizinstudium: Philipp Rösler, hier mit Professor Martin Butzlaff (r.) von der Uni Witten/Herdecke

© Ilse Schlingensiepen

WITTEN. Ein schöneres Lob hätten Studierende, Dozenten und Verwaltung der Fakultät für Gesundheit der Universität Witten/Herdecke (UWH) kaum erwarten können. "Vieles von dem, was ich mir wünschen würde, wird hier schon gelebt", sagt Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler bei einem Besuch der UWH.

Der Minister lässt anklingen, dass sein beruflicher Werdegang vielleicht anders verlaufen wäre, hätte er den besonderen anthroposophischen Ansatz des Wittener Medizinstudiums gekannt.

Die Erinnerungen an sein eigenes Studium an der Medizinischen Hochschule Hannover sind nicht gerade überwältigend. "Ich muss sagen, dass war schon ein bisschen langweilig." Über die rein fachliche Ausbildung hinaus habe ihm etwas gefehlt, sagt Rösler und verweist auf das obligatorische Studium fundamentale an der UWH.

 Rösler hat zusätzlich Geschichte und Philosophie studiert, ist aber nicht lange bei der Stange geblieben. Die Allgemeinmedizin sei in seinem Studium eindeutig zu kurz gekommen, berichtet der Minister. "Ich kann mich an den allgemeinmedizinischen Teil meines Studiums fast gar nicht mehr erinnern." Er begrüßt, dass die UWH dem Fach einen breiteren Raum einräumt als andere Universitäten.

"Viele Probleme des deutschen Gesundheitssystems könnte man ein Stück weit lösen, wenn man das Studium anders gestalten würde", glaubt er. Das fängt schon bei der Auswahl der Studierenden an. Rösler wiederholt seine Skepsis gegenüber dem Numerus clausus.

 An der privaten UWH hat es nie einen NC gegeben, Gespräche entscheiden über die Aufnahme der Studierenden. Die Uni habe gleich einen doppelten Beweis angetreten, lobt der Minister: Es ist möglich, mit anderen Kriterien als der Abiturnote zu arbeiten, und damit auch noch erfolgreicher zu sein als andere Universitäten. An der UWH fallen weniger Studierende durchs Examen als anderswo.

"Man tut dem Gesundheitswesen einen Gefallen, wenn man mehr auf die Motivation achtet", betont Rösler. Um der schädlichen Fokussierung auf die technischen Möglichkeiten entgegenzuwirken, müsse schon das Studium stärker auf den Menschen fokussieren, fordert er. "Das gelingt nur, wenn man bereit ist, einen neuen Ansatz der Ausbildung zu wagen, so wie Sie es hier machen."

Auch beim Praktischen Jahr sieht Rösler Handlungsbedarf. Es mache keinen Sinn, dass Studierende diese Ausbildungsphase nur in ausgewählten Lehrkrankenhäusern absolvieren dürfen.

"Ich würde mir wünschen, dass jedes Krankenhaus in die Lage versetzt wird, Studierende im Praktischen Jahr aufzunehmen." Wenn die jungen Mediziner auf diese Weise kleine ländliche Häuser kennen lernen, bleiben sie vielleicht später in der Region, hofft er.

Auch an der Weiterbildung sollten sich mehr Kliniken beteiligten - gerade wenn es um die Allgemeinmedizin geht. "Wir brauchen Zuschläge für die Verbundweiterbildung in der Allgemeinmedizin in unterversorgten Gebieten", betont er.

Um die Gesundheitsversorgung künftig flächendeckend sicherstellen zu können, sind nach Ansicht Röslers nicht nur mehr und anders ausgebildete Ärztinnen und Ärzte notwendig, sondern auch das Verhältnis zwischen Ärzten und anderen Berufsgruppen muss sich ändern.

Hier sieht Rösler vor allem die Ärzteschaft in der Pflicht. "Es gibt keinen Berufsstand, bei dem das Standesdenken so ausgeprägt ist wie bei uns Ärzten." Die dringende Weiterentwicklung der Pflege werde nicht kommen, wenn das hierarchische Denken vieler Mediziner - "der Arzt steht oben, die Pflege steht unten" - fortbesteht.

Röslers Hoffnungen ruhen auf der neuen Ärztegeneration.Nach seinem Vortrag "Neue Ärzte braucht das Land" hat der Minister nur noch wenig Zeit für die Diskussion. Vor allem Dozenten der UWH nutzen die Gelegenheit und stellen Fragen. Aber auch ein Studierender traut sich.

"Was würden Sie am Medizinstudium ändern, wenn Sie das könnten?" Da der Bund tatsächlich für das Studium zuständig sei, müsse er jetzt vorsichtig sein, witzelt Röser. Festlegen will sich der Minister nicht. Aber vom Hammerexamen hält er nicht viel.

Rösler wünscht sich eine stärkere Bedeutung der Allgemeinmedizin und - "wenn man träumen darf" - mehr Menschlichkeit im Umgang zwischen Arzt und Patient, wie sie der Film "Patch Adams" zeige.

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