Terminservice-Gesetz

Ring frei für Spahns Großreform

Der Bundestag startet die Beratungen über das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG). Es enthält viel Konfliktstoff – auch für die Koalition. Bei der gestuften Versorgung in der Psychotherapie schert die SPD aus.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
„Konkrete und im Alltag spürbare Verbesserungen“ stellt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem TSVG in Aussicht.

„Konkrete und im Alltag spürbare Verbesserungen“ stellt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem TSVG in Aussicht.

© dpa

TSVG – das sieht das Gesetzespaket vor

  • Ausbau der Terminservicestellen: Erreichbarkeit rund um die Uhr unter 116.117, auch Vermittlung für Akutfälle.
  • Ausweitung der Mindestsprechstunden: Mindestens 25 Stunden pro Woche, Hausbesuchszeiten werden angerechnet. Grundversorgende Fachärzte müssen offene Sprechstunde im Umfang von fünf Wochenstunden anbieten.
  • Extrabudgetäre Vergütung, Zuschläge: Mindestens fünf Euro für Vermittlung eines Facharzt-Termins durch einen Hausarzt. Aufschlag von mindestens 25 Prozent auf Versicherten- und Grundpauschalen. 15 Prozent Zuschlag bei offenen Sprechstunden.
  • (Drohend) unterversorgte Gebiete: Strukturfonds der KVen werden verpflichtend, ebenso KV-Eigeneinrichtungen oder telemedizinische Versorgungsalternativen.
  • Heil- und Hilfsmittelversorgung: Dauerhaft keine Anbindung der Preise an die Grundlohnsumme, einfacheres Zulassungsverfahren.

BERLIN. Getragen vom Bemühen um verbale Abrüstung hat der Bundestag das Terminservice- und Versorgungsgesetz am Donnerstag erstmals beraten und federführend dem Gesundheitsausschuss überwiesen. Außerhalb des Parlaments dominieren indes schrille Töne.

Man wolle zusammen mit den Ärzten für die Patienten spürbare Verbesserungen in der Versorgung erreichen, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Auftakt. Insbesondere wolle die Koalition Ärzte unterstützen, die „über das Mindestmaß hinaus Patienten versorgen“, erläuterte Spahn und verwies auf die außerbudgetären Vergütungszuschläge, wenn Vertragsärzte neue Patienten aufnehmen.

„Richtung Bürgerversicherung“

Bei den Terminservicestellen (TSS), die künftig rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche betrieben werden sollen, prognostiziert Spahn einen „Quantensprung in der Dienstleistung“. SPD-Fraktionsvize Professor Karl Lauterbach erkennt im Ausbau der TSS gar Schritte in Richtung Bürgerversicherung – weil der Zugang für GKV-Patienten in die Versorgung außerbudgetär gefördert werden soll.

Im Streit um einen gestuften Zugang in der Psychotherapie gab sich Spahn konziliant. Angesichts von Anfeindungen in den sozialen Medien warb er dafür, sich zumindest zuzugestehen, dass man gemeinsame Ziele teilt: eine gute und rasche Versorgung psychisch Kranker.

Doch die SPD ließ Absetzbewegungen erkennen: Nötig sei „eine große Reform, aber kein Schnellschuss“, sagte Lauterbach. Die bisherige Vergütung der Psychotherapeuten richte sich zu wenig nach der Schwere der Erkrankung, räumte er ein.

Für Druck sorgt eine Petition mit rund 197.000 Unterstützern, die sich gegen die neue Versorgungsstruktur aussprechen. Am Donnerstag überreichten Vertreter von Psychotherapeutenverbänden dem Petitionsausschuss das Unterschriften-Paket. Hinter der Petition stehen 28 Verbände. Der Ausschuss werde sich am 14. Januar mit dem Thema befassen, kündigte sein Vorsitzender Marian Wendt (CDU) an. Der SPD-Abgeordnete Dirk Heidenblut stellte für seine Fraktion einen „strukturierten Dialog mit allen beteiligten Fachgruppen“ in Aussicht.

KBV beklagt „Fake news“

Für die Grünen fällte Dr. Kirsten Kappert-Gonther ein Negativ-Urteil über den Gesetzentwurf. Er enthalte „keine strukturellen Antworten auf die großen Probleme“. So etwa bei den Honoraranhebungen für bestimmte Fachgruppen. Dort sei die Koalition „mit der Gießkanne unterwegs“. Diese Anreize könnten zusätzliche Niederlassungen in bisher schon gut versorgten Regionen zur Folge haben. Die Fehlverteilung von Ärzten bekomme man so nicht in den Griff.

Außerhalb des Bundestags suchte der GKV-Spitzenverband die Konfrontation im Streit um Mindestsprechstunden von Vertragsärzten. Jeder Vierte biete weniger als 25 Stunden Sprechzeit pro Woche an, so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage bei 1400 Haus- und Fachärzten im Auftrag der Kassen. Die Erhöhung der Sprechstundenzahl von 20 auf 25 sei daher „richtig und notwendig“.

Das wies die KBV als „Fake news“ zurück. Sprechstundenzeiten dürften nicht mit Behandlungszeiten für Patienten gleichgesetzt werden. „Das Ganze ist nicht nachvollziehbar“, so KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. Nach Zahlen des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung weisen zehn Prozent der Einzelpraxen Öffnungszeiten von weniger als 25 Stunden auf.

Bei vielen Verbänden und bei Interessengruppen hat das TSVG anlässlich der Debatte im Bundestag Reaktionen ausgelöst:

  • SpiFa: Wie die KBV wandte sich auch der Spitzenverband der Fachärzte gegen die Umfrage des GKV-Spitzenverbands. Diese sei „unseriös“, so der Verbandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. Die höhere Mindestsprechstunden-Zahl sei eine „unnötige Gängelung der Kollegen an der Basis“.
  • Hausärzteverband: Mehr „Schatten als Licht“ erkennt Verbandsvorsitzender Ulrich Weigeldt im Entwurf. Schon bisher böten Hausärzte ganz überwiegend mehr als 25 Stunden Sprechzeit pro Woche. Dass zusätzliches Geld aber nun an Fachärzte fließen solle, die das bisher nicht tun, sei „ein falsches Signal“
  • Bundesärztekammer: Viele gute Ansätze im Gesetzentwurf würden „teilweise durch massive Eingriffe in die Praxisabläufe und in die Arbeit der Selbstverwaltung konterkariert“, konstatiert die BÄK. Als positiv verbucht sie, dass die Koalition „zumindest punktuell“ das Problem der zunehmenden Konzernbildung im Gesundheitswesen angehe.
  • Deutsche Krankenhausgesellschaft: Exakt die geplanten Regelungen für Medizinische Versorgungszentren im TSVG wertet die DKG als problematisch: Ärzte, die aus einem MVZ ausscheiden, sollen nur noch nachbesetzt werden dürfen, wenn nach der Bedarfsplanung freie Arztsitze vorhanden sind. Eine solche Regelung würde für MVZ in Trägerschaft von Krankenhäusern „fast das Aus“ bedeuten. (Mitarbeit: af)
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