Gleiche Versorgung mit Heilmitteln? Regierung findet: Ja!
BERLIN (fst). Die Bundesregierung hat mit regional stark unterschiedlichen Verordnungshäufigkeiten von Heilmitteln kein Problem. Im Gegenteil: Diese könnten durch "regionale Besonderheiten gerechtfertigt sein", heißt es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen. Worin diese Besonderheiten bestehen, erläutert die Regierung nicht.
Die Grünen-Fraktion hat wissen wollen, warum je nach KV-Region Fallzahlen und Ausgaben für Heilmittel um das zwei- bis dreifache voneinander abweichen (wir berichteten). Gefragt wurde auch, inwieweit noch von einem gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen die Rede sein kann.
Dass das Droh- und Regresspotenzial von Richtgrößenprüfungen eine Ursache der unterschiedlichen Behandlungshäufigkeiten sein könnte, weist die Regierung von sich: Das Richtgrößenvolumen sei kein "starres Budget", maßgeblich sei immer "die medizinische Notwendigkeit im Einzelfall", heißt es. Praktiker des Prüfwesens wie Dr. Jan Geldmacher, KV-Vorstandsmitglied in Baden-Württemberg, dagegen werfen Politik und Kassen vor, sie seien "blind für die Folgen des Prüfgeschehens". In der Antwort heißt es dazu trocken: "Für eine Beurteilung der Angemessenheit von Richtgrößen ist die Bundesregierung nicht zuständig."
Stattdessen wird das Problem zurückdelegiert: Regionale Besonderheiten zu regeln sei vor allem Job von KVen und Landesverbänden der Krankenkassen, erklärt die Bundesregierung.
Die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink, Sprecherin für Prävention und Patientenrechte, wirft der Bundesregierung "Desinteresse" am ungleichen Zugang zu Heilmitteln vor. Es reiche nicht, wenn "lapidar" auf die Selbstverwaltung verwiesen werden, monierte Klein-Schmeink.
Teilweise geht die Antwort der Regierung auch von falschen oder unzureichenden Informationen aus. So unterstellt Gesundheits-Staatssekretär Stefan Kapferer, bei Ärzten würden "geeignete Software-Programme" verwendet, "die die Dokumentation und Steuerung der Heilmittelverordnungen im Hinblick auf die Einhaltung des Richtgrößenvolumens unterstützen". Die Praxis sieht anders aus, erläutert Prüfexperte Geldmacher: Der Einsatz von Software sei "schwierig, da die Heilmittelpreise, anders als bei Arzneimitteln, Vertragspreise einzelner Krankenkassenverbände sind, so dass eine ausreichend sichere Aussage nicht möglich ist."
Zudem warnt Geldmacher: "Eine ‘Wasserstandsmeldung' des Computers würde dazu führen, dass gegen Ende des Quartals oder gegen Ende des Jahres wegen der Gefahr der Richtgrößenüberschreitung keine Verordnungen mehr erfolgen".