Ärzte zurück an die Ostsee locken - geht das?

KV und Kassen im Nordosten wollen den drohenden Ärztemangel bekämpfen. Ohne bessere Infrastruktur aber laufen ihre Bemühungen ins Leere. Ein Ziel ist, abgewanderte Ärzte zurückzugewinnen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Ärztemangel bekämpfen: Statt Rostock oder Schwerin doch das Fischerdorf auf Rügen?

Ärztemangel bekämpfen: Statt Rostock oder Schwerin doch das Fischerdorf auf Rügen?

© makuba / fotolia.com

SCHWERIN. Wenn im Rest der Republik über Mecklenburg-Vorpommern gesprochen wird, fallen schon mal Begriffe wie Steppe oder Diaspora. Was auch immer die Deutschen mit dem Nordosten verbinden - das Image der Ostseeregion könnte besser sein.

Das hat auch Oliver Kahl von der KV Mecklenburg-Vorpommern beobachtet. Er hält den Ruf der Region für nicht gerechtfertigt und fordert: "Daran müssen wir arbeiten." Denn das Imageproblem färbt auf die Motivation der Ärzte, sich dort niederzulassen, ab. "Das Einkommen der Ärzte ist nicht das Problem", sagt Kahl.

Das sieht man auch daran, dass selbst die finanziell lukrativen Investitionskostenzuschüsse von bis zu 50.000 Euro für eine Niederlassung seit 2008 nur von rund 35 Ärzten in Anspruch genommen wurden.

160 Hausarztsitze sind aktuell in Mecklenburg-Vorpommern nicht besetzt. 21 Prozent der Hausärzte sind älter als 60 Jahre, in manchen Landkreisen sogar ein Drittel der Hausärzte. Ob das schon ein Ärztemangel ist oder der sich nur am Horizont abzeichnet, ist für die Lösungssuche nebensächlich.

Vdek-Bundeschef Thomas Ballast blieb bei einem Besuch im Nordosten zwar bei seiner Linie, nur ein Verteilungsproblem einzuräumen. Er sprach von einer "gefühlten Unterversorgung". Der gemeinsamen Suche nach Lösungen aber verschließen sich die Kassen in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr, wie eine vdek-Tagung in Schwerin zeigte.

Allerdings liegen Kassen und Ärzte bei den Lösungsansätzen noch immer auseinander. Leichter fällt beiden Seiten die Ablehnung von Vorschlägen. Ein Wegfall der Bedarfsplanung, wie sie etwa im Nachbarland Schleswig-Holstein Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg (FDP) ins Spiel gebracht hatte, ist für vdek-Landesleiter Karl Nagel nicht vorstellbar.

Das würde nach seiner Überzeugung nur dazu führen, dass sich noch mehr Ärzte in Rostock oder Schwerin niederlassen - wo sie aber nach seiner Ansicht nicht gebraucht werden.

Von flexibleren Regelungen in der Bedarfsplanung verspricht man sich im Nordosten dagegen Fortschritte. Frei werdende Arztsitze in überversorgten Gebieten sollten nach Ansicht der Kassen nicht wieder ausgeschrieben, sondern von der KV aufgekauft werden.

Kassen und KV wissen aber auch, dass dies nicht die Attraktivität der Niederlassung in einem vorpommerschen Dorf erhöht. Deshalb erwarten sie Unterstützung von den Kommunen und Landkreisen, die nach ihrer Ansicht mit einer besseren Infrastruktur den Anreiz zum Verbleib der Menschen und zur Niederlassung von Ärzten erhöhen könnten.

Dazu zählen attraktive Arbeitsplätze für die Lebenspartner, günstige Kredite für die Schaffung von Wohneigentum, Zusagen für Krippenplätze oder eine engere Anbindung durch den öffentlichen Personennahverkehr. Ballast will mit besseren Verkehrsverbindungen zugleich Patienten in die Lage versetzen, Arztpraxen in entfernteren Orten zu erreichen.

Er kann sich darüber hinaus vorstellen, dass eine bessere Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe und mehr Delegation Versorgungsprobleme lösen könnten.

Erste Bemühungen zeigen, dass die Kommunalpolitik sich nicht länger verschließt. So vergibt etwa der Landkreis Nordvorpommern ein Stipendium für Medizinstudenten, die sich zu einer Niederlassung in der Region verpflichten.

Die KV sieht aber auch den Gesetzgeber gefordert. Das geplante Versorgungsgesetz bietet nach Ansicht der Körperschaft die Chance, den bürokratischen Aufwand für die Ärzte zu verringern und ihnen die Angst vor Regressen zu nehmen.

Gehen die Rahmenbedingungen dagegen weiter in diese Richtung - etwa durch eine Bestrafung von Praxen für die dort unvermeidlichen Wartezeiten - fürchtet die KV eine abnehmende Attraktivität der Niederlassung und damit weitere Abwanderungen von Ärzten ins Ausland.

Dass im internationalen Arbeitsmarkt für Ärzte auch eine Chance für Mecklenburg-Vorpommern liegt, zeigt ein Blick auf die Krankenhäuser im Nordosten. Derzeit sind rund 250 ausländische Ärzte in den Kliniken des Landes tätig, die meisten von ihnen stellt Österreich (30). Daneben kommen zunehmend mehr Ärzte aus Osteuropa.

Die KV setzt darauf, mit einer verbesserten Infrastruktur und attraktiven Bedingungen diese Entwicklung wieder umdrehen und abgewanderte deutsche Ärzte zurück gewinnen zu können. Denn deren Potenzial wäre schneller nutzbar als das des ärztlichen Nachwuchses - und zugleich könnten die hiesigen Ärzte von der gestiegenen Attraktivität des deutschen Arbeitsmarktes profitieren.

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