Nach der Sondierung

Ärzte misstrauisch – Ist die Bürgerversicherung vom Tisch?

Ärzteverbände warnen weiter vor der Einführung einer Bürgerversicherung durch die Hintertür. Vor dem Parteitag am Sonntag steigt in der SPD die Nervosität.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Union und SPD haben sich auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geeinigt. Im Ergebnispapier der Sondierer taucht das Wort "Bürgerversicherung" nicht auf. Die Ärzte trauen dem Braten noch nicht so recht. "Zur Euphorie besteht bei aller grundsätzlichen Zustimmung kein Anlass", sagte der Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten Dr. Hans-Friedrich Spies am Montag.

Es werde darauf ankommen, ob sich die voraussichtlichen Koalitionäre darauf einigten, das duale System von PKV und GKV zu erhalten und dies auch im Koalitionsvertrag festschrieben, sagte Spies vor dem Hintergrund innerparteilicher Auseinandersetzungen in der SPD zum Ergebnis der Sondierungen.

Ohne eine eindeutige Formulierung bestehe die Gefahr, dass ein potenzieller SPD-Gesundheitsminister durch viele Einzelmaßnahmen die PKV unattraktiv mache und damit die Bürgerversicherung durch die Hintertür einführe, warnte Spies.

Nachverhandlungen gefordert

Über das Wochenende und am Montag sind in der SPD Stimmen laut geworden, das Ergebnis der Sondierungsverhandlungen von CDU, CSU und SPD nachzuverhandeln. "Es wird jetzt so getan, als sei alles schon verhandelt – das ist es mitnichten," sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner.

Auch über die Bürgerversicherung müsse weiter gesprochen werden, hatte zuvor die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz Malu Dreyer der "Tagesschau" gesagt. Die Tatsache, dass man sich über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geeinigt habe, bedeute nicht, dass deren Agenda bereits vollständig feststehen müsse.

Der Vorsitzende der MEDI GENO Deutschland, Dr. Werner Baumgärtner, drohte in einer Stellungnahme damit, das Thema im Falle eines neuen Anlaufs auf die Bürgerversicherung während der Koalitionsverhandlungen in die Wartezimmer der Praxen zu tragen.

"Sollten die Sozialdemokraten den Kompromiss doch noch ablehnen, werden wir uns im nächsten Wahlkampf noch klarer gegen die Bürgerversicherung und eine einheitliche Gebührenordnung positionieren und unsere Patienten direkt über die Auswirkungen aufklären", sagte Baumgärtner am Montag.

Der NAV-Virchow-Bund ging noch einmal das Thema Budgetdeckel an: Die einzig richtige Therapie gegen unterschiedliche Wartezeiten von Privat- und Kassenpatienten sei, die Budgetierung aufzuheben. "Damit würden nicht nur die Terminschwierigkeiten, sondern auch die Verteilungsprobleme in der ambulanten Versorgung gelöst", sagte der Vorsitzende des Bundes Dr. Dirk Heinrich.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles hat den Gegnern einer GroKo – auch in der eigenen Partei – vorgeworfen, das Sondierungsergebnis "mutwillig" schlechtzureden. "Da wird ein Ergebnis schlecht geredet von einigen, die egal, was wir verhandelt hätten, gegen die GroKo sind", sagte Nahles am Montag im Deutschlandfunk. "Das akzeptiere ich nicht, da werde ich dagegenhalten." Ein SPD-Sonderparteitag soll am Sonntag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden.

Nahles: SPD hat gut verhandelt

Nahles argumentierte, dass die SPD in den Sondierungen viele Erfolge erreicht habe. Dagegen sprach sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Hilde Mattheis im ZDF-"Morgenmagazin" gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot aus. "Es gibt keinen generellen Politikwechsel", erklärte die Vorsitzende des SPD-Forums Demokratische Linke.

Mit dem Ergebnis könne die Schere zwischen Arm und Reich nicht geschlossen werden, auch zur Altersarmut enthalte das Papier keine Antworten. Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner rechnet nach eigenen Worten beim Bundesparteitag an diesem Sonntag mit einer Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union.

"Aber ich glaube, dass das schwierig sein wird, weil ich die Kritikpunkte für berechtigt halte", sagte der schleswig-holsteinische Landesparteichef am Montag in Kiel. Er gehöre nach wie vor zu den Skeptikern einer neuen großen Koalition.

Aus seiner Sicht lohne es sich aber angesichts der Sondierungergebnisse, weiter zu verhandeln. Die in den Sondierungen vereinbarten Verbesserungen werde es auch nur dann geben, wenn sich die SPD an der Regierung beteilige.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Die Meinung: Vom Erfolg nicht überzeugt

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