Arzttermine im Fokus

Spahn bringt TSVG im Kabinett auf den Weg

Das Bundeskabinett hat den Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) durchgewunken. Es enthält einige Änderungen – auch für Ärzte.

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Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, hat den Gesetzentwurf zum TSVG im Kabinett durchgebracht. Damit sollen Kassenpatienten in Deutschland unter anderem künftig schneller an Arzttermine kommen.

Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, hat den Gesetzentwurf zum TSVG im Kabinett durchgebracht. Damit sollen Kassenpatienten in Deutschland unter anderem künftig schneller an Arzttermine kommen.

© Kay Nietfeld/dpa

BERLIN. Der schnellere Zugang zu Arztterminen für gesetzlich Versicherte ist Fokus des "Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung" (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG). Dessen Entwurf hat heute das Bundeskabinett passiert.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn äußert sich dazu in einer Pressemitteilung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG): "Gesetzlich Versicherte warten zu oft zu lange auf Arzttermine. Das wollen wir ändern. Und zwar zusammen mit den Ärzten. Deswegen sollen diejenigen besser vergütet werden, die helfen, die Versorgung zu verbessern. Dann lohnt es sich für Ärzte auch, Patienten zeitnah einen Termin zu geben."

Nach der Kabinettssitzung betonte Spahn: „Der heutige Kabinettsbeschluss adressiert konkrete Alltagsfragen wie unterschiedliche Wartezeiten von gesetzlich und privat versicherten Patienten beim Facharzt. Nach den Personaldebatten der letzten Tage zeigt dies, dass wir an Sachfragen arbeiten“.

Zu der von Ärzten häufig kritisierten Ausweitung der Sprechstundenzeiten von 20 auf 25 Stunden wöchentlich sagte Spahn, er wisse, dass die meisten Ärzte weitaus mehr als 25 Stunden arbeite. Eben diese Ärzte müssten auch geschützt werden vor Kollegen, die den Versorgungsauftrag eines vollen Vertragsarztsitzes nicht ausfüllten.

Spahn räumte allerdings ein, aufgrund fehlender Kontrollen in der Vergangenheit nicht zu wissen, in welchem Umfang Ärzte den Versorgungsauftrag nicht ausgefüllt hätten. Unklar sei damit auch, in welchem Maße durch die neue Verpflichtung die Arbeitskapazität in der ärztlichen Versorgung ausgeweitet werde. Sicher sei, dass diese Maßnahme allein aber nicht ausreichen werde.

Bessere Entlohnung für Zusatzangebote der Ärzte

Ein Kernelement des Gesetzes ist der Ausbau der Terminservicestellen mit telefonischer und digitaler Erreichbarkeit unter der einheitlichen Rufnummer 116 117 an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr.

Das sei der erste Baustein in einer grundlegenden Reform der Notfallversorgung, für die der Sachverständigenrat nach Spahns Auffassung eine konkrete und praxisnahe Vorlage für ein Gesetzgebungsverfahren im nächsten Jahr geliefert habe.

Die Aufgaben der Terminservicestellen werden erweitert: um die Vermittlung auch von Haus- und Kinderärzten zur dauerhaften Versorgung sowie die Vermittlung von Patienten in Akutfällen an Praxen und Notfallambulanzen auch während der Sprechstundenzeiten.

Auch das Mindestsprechstundenangebot der niedergelassenen Ärzte wird erhöht – und zwar bekanntlich auf mindestens 25 Stunden pro Woche (Hausbesuchszeiten werden angerechnet).

Neu: Bei Augenärzten, Frauenärzten und HNO-Ärzten sollen darunter fünf Stunden offene Sprechzeit ohne Terminvergabe sein, bei Haus- und Kinderärzten entfällt diese Pflicht.

Ein weiteres Charakteristikum des Gesetzes ist die Lockerung der Budgetierung. Extrabudgetär werden künftig folgende Leistungen vergütet:

  • erfolgreiche Vermittlung von dringenden Facharztterminen durch Hausärzte: fünf statt wie bislang geplant zwei Euro (wir berichteten vorab).
  • Akutleistungen für Patienten, die von der Terminservicestelle vermittelt werden.
  • Leistungen für neue Patienten in der Praxis mit einem Aufschlag von 25 Prozent auf die Versicherten- und Grundpauschale; ebenso Leistungen beim Patientenbestand, wenn eine neue Krankheit diagnostiziert wird.
  • Leistungen, die in der offenen Sprechstundenzeit erbracht werden mit einem Zuschlag von 15 Prozent auf die Grundpauschalen.
  • Leistungen der Hausärzte für von der Terminservicestelle vermittelte dauerhafte Patienten.

Das zusätzliche Honorarvolumen soll laut Spahn bei schätzungsweise 600 Millionen Euro liegen.

Vorstandsgehälter sollen gedeckelt werden

Weitere Änderungen im Vergleich zu dem im Frühsommer vorgelegten Referentenentwurf:

  • Die Gehälter der Vorstände der Selbstverwaltungsorgane auf Bundesebene sollen bis 2028 gedeckelt werden.
  • Die Lieferengpässe bei Impfstoffen sollen vermieden werden, indem künftig der Ausschluss von Herstellern durch sogenannte 129er-Verträge zwischen Kassen und Apothekerverbänden untersagt wird. Gleichzeitig werden die Regelungen für eine wirtschaftliche Preisfindung geschärft. In den Verträgen ist laut Gesetzentwurf zu vereinbaren, „dass die Krankenkassen den Apotheken den tatsächlich vereinbarten Einkaufspreis, höchstens jedoch den Apothekeneinkaufspreis, und eine Apothekenvergütung von einem Euro je Einzeldosis sowie die Umsatzsteuer erstatten.“
  • In unterversorgten und von Unterversorgung bedrohten Gebieten müssen zudem die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig eigene Praxen eröffnen oder Versorgungsalternativen anbieten, so das BMG. Zugleich gebe es, um mehr Landärzte zu gewinnen, obligatorische regionale Zuschläge für Ärzte auf dem Land. Und die Strukturfonds der KVen werden verpflichtend und auf bis zu 0,2 Prozent der Gesamtvergütung verdoppelt.
  • Außerdem werde der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung um zusätzliche Angebote erweitert, berichtet das BMG. Und diese würden unter anderem auch dazu verpflichtet, für ihre Versicherten elektronische Patientenakten spätestens ab 2021 anzubieten.

Spahn begrüßte in einer Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung auch den Ausbau der Studienkapazitäten durch Gründung zweier neuer medizinischer Fakultäten in Bielefeld und Augsburg durch die Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Damit werde langfristig durch mehr Medizinernachwuchs die Versorgungskapazitäten gesichert.

Kritik an Spahns Gesetz hält an

Auch der nachgebesserte Entwurf des Versorgungsgesetzes stößt nicht nur bei Ärztevertretern auf wenig Gegenliebe.

Es fehle der Mut, den Weg zur Entbudgetierung konsequenter zu beschreiten, kommentierte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), den TSVG-Kabinettsbeschluss.

Einer der Kritikpunkte der KBV ist aber gerade, dass nach wie vor die Koordinierungsleistung des Hausarztes nicht abgebildet werde. "Im Gegenteil: Im neuen Entwurf wird die Arbeitslast des Hausarztes noch einmal gesteigert, ohne auch nur die Spur einer adäquaten Kompensation einzuräumen", sagt KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister.

Grundsätzlich positiv zu beurteilen ist laut Gassen immerhin, dass sich das Prinzip "Mehr Leistung muss auch mehr Vergütung bringen" in der Gesetzesvorlage widerspiegele. Trotzdem greift das Gesetz nach Ansicht der KBV aber zu sehr in den freien Arztberuf ein.

Letzteres moniert auch der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt: Die teilweise massiven Eingriffe in den ärztlichen Alltag seien ein Angriff auf den freien Beruf.

"Wer denkt, dass er mit praxisfernen Regularien die Versorgung verbessern kann, ist auf dem Holzweg." Es brauche Hausärzte, die die ersten Ansprechpartner ihrer Patienten sind und die Behandlungsprozesse strukturieren, lautet sein Lösungsvorschlag für die Wartezeitenproblematik.

Verbraucherzentralen unzufrieden

Selbst die Verbraucherzentralen sehen das Gesetz kritisch: Sie begrüßen zwar das Vorhaben, dass Kassenpatienten künftig schneller an Arzttermine kommen sollen.

Maßnahmen wie zusätzliche offene Sprechstunden, die mit mehr Geld für die Ärzte verknüpft werden sollten, seien in ihrer Wirkung allerdings fraglich und keinesfalls ausreichend, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. "Es braucht weitergehende grundlegende strukturelle Verbesserungen", so Müller.

Dies betreffe etwa die regional ungleiche Verteilung von Ärzten und eine bessere Vernetzung von niedergelassenen Ärzten mit Krankenhäusern.

Der GKV-Spitzenverband bekräftigte indes noch einmal, dass er "mehr Geld in Form von Zuschlägen oder dergleichen alleine dafür, dass die niedergelassenen Ärzte in ihrer Gesamtheit die Aufgaben im Bereich der Sprechzeiten und der Terminvergabe nicht länger vernachlässigen", ablehne, wie Verbands-Sprecher Florian Lanz erklärte. Die Erhöhung der Pflichtsprechstundenzeit sei aber ein guter Schritt.

Einen ganz anderen Kritikpunkt führt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) an: Die neuen Impfstoffregelungen, die eigentlich Versorgungsengpässen vorbeugen sollen, brächten noch mehr Zwangsabschläge. "Anstatt die Krankenkassen endlich darauf zu verpflichten, von den Einsparungen Impfprogramme aufzusetzen, soll bei Impfstoffen kollektiv weiter gespart werden", moniert Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des BPI. (run/HL/reh/dpa)

Dieser Beitrag wurde aktualisiert am 26.9.2018 um 16.43 Uhr

Lesen Sie dazu auch: TSVG-Änderungen: Höherer Zuschlag für Terminvermittlung

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Das Geld folgt der Leistung

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