Regionalkonferenz in Hamburg

Politik beäugt Selbstverwaltung kritisch

Beim Aufeinandertreffen von Sachverständigenrat und Landesministern aus dem Norden gab es viel Kritik an der Arbeit der ärztlichen Selbstverwaltung – und Anzeichen bevorstehender Eingriffe von Seiten der Politik.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:

HAMBURG. „Vollversammlung“ des norddeutschen Gesundheitswesens im prunkvollen Festsaal des Hamburger Rathauses: Der Sachverständigenrat (SVR) zur Begutachtung der Entwicklung im deutschen Gesundheitswesen hatte zur Diskussion mit vier norddeutschen Landesgesundheitsministern beziehungsweise Senatoren geladen – entsprechend hoch waren die Erwartungen.

Die sahen viele Beteiligte der „Regionalkonferenz Nord“ am Ende nicht erfüllt. „Nichts Neues“, hieß eine mehrfach geäußerte Kritik.

Ein Grund für die Enttäuschung könnte gewesen sein, dass sich die zahlreichen Vertreter der gemeinsamen Selbstverwaltung Kritik gefallen lassen mussten – und erneut erfuhren, dass Eingriffe bevorstehen.

Gestaltungsspielräume für Länder

Sachverständigenrat

In vier Regionalkonferenzen stellt der SVR länderrelevante Analysen vor. Empfehlungen des Gutachtens werden mit gesundheitspolitischen Vertretern der Regionen diskutiert.

Nach Frankfurt und Hamburg folgen noch Halle (14. November) und Düsseldorf (27. November).

Insbesondere Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia-Prüfer Storcks (SPD) hält solche Eingriffe in die Selbstverwaltung für erforderlich, um Fortschritte in der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit zu erzielen. Genau an dieser Stelle nämlich sehen alle Beteiligten Handlungsbedarf – und zu wenig Bewegung in der Selbstverwaltung.

Prüfer-Storcks forderte mehr Gestaltungsspielräume für die Bundesländer, um Gesundheitsversorgung lokal planen zu können. Unter ihren Kollegen in der Politik erwartet sie dabei keinen Widerstand: „Ich habe das Gefühl, dass alle bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen.“

Selbst Schleswig-Holsteins FDP-Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg, als Anhänger der gemeinsamen Selbstverwaltung bekannt, widersprach an dieser Stelle nicht. Er nutzte die Diskussion mit den Professoren Ferdinand Gerlach, Eberhard Wille und Jonas Schreyögg, für eine Neuordnung der Notfallversorgung zu werben.

Der schleswig-holsteinische Vorstoß zu dem Thema ist in Teilen deckungsgleich mit den Empfehlungen der Sachverständigen. Garg warnte dabei aber davor, einen dritten Sektor zu schaffen.

„Ich sehe die Gefahr, weil bei vielen Beteiligten die Bereitschaft zu echten Reformen unterausgeprägt ist“, sagte Garg.

Wenige konstruktive Lösungen

Auch Wille brachte ein Beispiel für die Wahrnehmung, dass der Selbstverwaltung konstruktive Lösungen zunehmend schwerer fallen. Mit Blick auf die ASV hat Wille „das Gefühl, dass sich DKG und KBV gegenseitig blockieren“.

Dennoch brach an wenigen Stellen der Diskussion die Erkenntnis durch, dass die Versorgung ganz ohne die Selbstverwaltung wohl doch nicht zu organisieren ist. Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) sprach zwar ebenfalls von „Blockaden“, stellte aber auch fest: „Es braucht Vertrauen in die Krankenhausgesellschaften und in die Kassenärztlichen Vereinigungen.“

Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) setzt in ihrem Bundesland auf sektorenübergreifende Konzepte, die an Ort und Stelle von den Beteiligten der Gesundheitsversorgung mitgestaltet werden.

Die von den Sachverständigen vorgestellten Empfehlungen wurden von den Politikern ohne großen Widerspruch zur Kenntnis genommen.

Ob allerdings der vom SVR vorgeschlagene bundeseinheitliche Basisfallwert mit Regionalisierungsfaktoren Chance auf Realisierung hat, wurde in Hamburg von den politisch Verantwortlichen in Frage gestellt.

Gefühl der Benachteiligung

Für die meisten norddeutschen Bundesländer hat der Kampf um eine Angleichung der Landesbasisfallwerte an die bessergestellten Bundesländer zu lange gedauert und das Gefühl erzeugt, benachteiligt worden zu sein.

Zu einem Zeitpunkt über Regionalisierungsfaktoren zu diskutieren, an dem endlich eine Annäherung an die Werte der besser ausgestatteten Länder gelungen ist, erschien den Politikern unabhängig von der Parteizugehörigkeit wenig reizvoll.

Keinen Widerspruch gab es dagegen für die Feststellung der Sachverständigen, dass es noch erhebliches Potenzial im deutschen Gesundheitswesen gibt, die sektorenübergreifende Versorgung zu verbessern.

Dafür sehen die Gutachter zahlreiche Möglichkeiten und von MVZ bis zu den Praxisnetzen auch viele Beteiligte, die an dieser Schnittstelle etwas bewegen könnten.

Die dafür erforderlichen Gesetzesänderungen – etwa den vom Sachverständigenrat genannten Leistungserbringerstatus für Praxisnetze – griffen die versammelten Politiker in dieser Runde allerdings nicht auf.

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