"Das ist eine Katastrophe gigantischen Ausmaßes"

Der Kieler Mediziner Joost Butenop war für zwei Wochen in dem von Cholera betroffenen Simbabwe.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Der Kieler Arzt Joost Butenop bereitet die Menschen in zwei weniger betroffenen Provinzen auf den möglichen Ausbruch der Cholera vor.

Der Kieler Arzt Joost Butenop bereitet die Menschen in zwei weniger betroffenen Provinzen auf den möglichen Ausbruch der Cholera vor.

© Foto: Butenop/Smi

"Das ist eine Katastrophe gigantischen Ausmaßes", sagt der Arzt Joost Butenop, der gerade aus Simbabwe zurückgekehrt ist. Den Cholera-Ausbruch nennt er die größte Epidemie in der Geschichte Afrikas. Der Kieler Arzt hat in dem afrikanischen Land im Auftrag von Caritas international Hilfe zur Selbsthilfe geleistet.

Offiziell sind 70 000 Menschen in Simbabwe an der Cholera erkrankt, aber die Dunkelziffer sei weit höher. "Die meisten Verläufe sind relativ mild", erklärt der Arzt im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung", "weshalb viele Patienten gar nicht erst zu den Gesundheitsstationen der Hilfsorganisationen kommen." Butenop schätzt, dass über 100 000 Menschen tatsächlich erkrankt sind, somit wäre weit mehr als ein Prozent der Bevölkerung betroffen. "Das übersteigt selbst die Cholera-Katastrophe nach dem Genozid in Ruanda."

Butenop ist seit acht Jahren in der Not- und Entwicklungshilfe tätig und hat sich auf die öffentliche Gesundheit spezialisiert. Im Auftrag von Caritas international, dem Hilfswerk der deutschen Caritas, hat er die Menschen in zwei von der Cholera bislang weniger betroffenen Provinzen im Westen Simbabwes auf den Ernstfall vorbereitet.

Vor zwölf Jahren war er schon einmal in Simbabwe. Doch die einstige Kornkammer des südlichen Afrikas habe er kaum wieder erkannt.

"Damals hatte das Gesundheitssystem Simbabwes Vorbildcharakter, jetzt ist es kollabiert", konstatiert der Kieler Mediziner. "70 Prozent aller Cholerapatienten werden von Ärzte ohne Grenzen in Notquartieren behandelt, nur die kirchlichen Krankenhäuser haben noch funktionierende Strukturen."

In der drei Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt Harare arbeiteten in den staatlichen Krankenhäusern nur noch sieben Ärzte, so Butenop. "Das sind Geisterhäuser." Die größten Kliniken seien geschlossen, viele Mitarbeiter im Streik. Die Inflation des Landes hat inzwischen absurde Ausmaße angenommen. "Ein Arzt verdient im Monat 160 Trillionen Simbabwe-Dollar", erläutert Butenop, "100 Trillionen Simbabwe-Dollar haben aber nur einen Gegenwert von zehn US-Dollar." Krankenschwestern bekommen umgerechnet zwei US-Dollar im Monat - eine Fahrt zur Arbeit mit dem Bus kostet sie einen Dollar. "Für die Hin- und Rückfahrt müsste sie also ihren gesamten Monatslohn bezahlen."

Während seines Aufenthaltes im Land predigte der deutsche Arzt den Menschen: "Wascht eure Hände mit Seife." Bis ihm jemand antwortete, dass es in den Läden zwar Seife zu kaufen gebe, man diese nicht bezahlen könne. Auch die medizinischen Dienstleistungen kann sich kaum jemand leisten: Eine Geburt kostet 100 US-Dollar, ein Kaiserschnitt 2000. Chirurgen seien gezwungen, solche Eingriffe ohne sterile Instrumente und ohne fließendes Wasser vorzunehmen, so der Caritas-Arzt.

In Folge der Cholera-Epidemie sind offiziell bislang 4000 Einwohner Simbabwes gestorben, auch hier wird die Dunkelziffer höher geschätzt.

Nun müssten die funktionierenden christlichen Krankenhäuser gestärkt werden. Hoffnung setzt Butenop auf den neuen Premierminister Morgan Tsvangirai, auch wenn dieser unter Diktator Mugabe regiert. Dringend sei der Wiederaufbau der zusammengebrochenen Wasser- und Abfallversorgung in der Hauptstadt Harare. "Auch die Impfprogramme, die vor acht Monaten eingestellt wurden, müssen wieder aufgenommen werden", fordert Butenop.

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