Global Health - Deutschland ist kopflos

Als größter europäischer Staat hat Deutschland keine Strategie für eine globale Gesundheitspolitik, wie beim World Health Summit in Berlin offenbar wurde.

Von Eugenie Wulfert Veröffentlicht:
Gerade einmal eine Million Euro hat das BMG für internationale Projekte zur globalen Gesundheit zugeteilt.

Gerade einmal eine Million Euro hat das BMG für internationale Projekte zur globalen Gesundheit zugeteilt.

© electriceye / fotolia.com

BERLIN. Deutschland sollte als treibende Kraft in der Europäischen Union in der globalen Gesundheitspolitik die Initiative ergreifen und sie aktiv mitgestalten. " Wir brauchen einen europäischen Lösungsansatz und ein Land, das ihn innerhalb der EU vorantreibt", forderte Helmut Brand, Leiter des Department of International Health an der Maastricht Universität, beim World Health Summit in Berlin.

Bisher seien aber die Strategien europäischer Staaten in der globalen Gesundheitspolitik sehr unterschiedlich. In Deutschland ist allerdings auch auf der nationalen Ebene unklar, wer eigentlich für die sogenannte "Globale Gesundheit" zuständig ist.

Das Problem der ministeriellen Zuständigkeiten und der interministeriellen Koordination für Verhandlungen in den Bereichen von Global Governance ist in den letzten Jahren wiederholt thematisiert worden.

Kompetenzen über drei Ministerien verteilt

Ein Akteur ist das Bundesgesundheitsministerium (BMG), das zwar für die Kooperation mit der WHO zuständig ist, bei dem die globale Gesundheit allerdings ein Nischendasein fristet. Gerade einmal eine Million Euro sind vom BMG für internationale Projekte zugeteilt, wie der Abteilungsleiter Timo Ulrichs mitteilte.

Die primäre Zuständigkeit für die Kooperationen mit weiteren wichtigen internationalen Organisationen im Gesundheitsbereich liegt beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und beim Auswärtigen Amt.

Auch die Wissenschaft ist noch unterbelichtet

Über alle Ministerien hinweg werde die globale Gesundheit aber als ein Politikfeld begriffen, das in erster Linie Entwicklungszusammenarbeit und Gesundheitsversorgung in armen Ländern im Fokus hat. Das ist eine verengte Sichtweise.

"Globale Gesundheit besteht nicht nur darin, Armen zu helfen. Sie ist keine Mildtätigkeit", kritisierte Peter Tinnemann vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Charité.

Der Begriff Global Health sei nicht mit dem Terminus "Internationale Gesundheit" gleichzusetzen. "Internationale Gesundheit fokussiert sich hauptsächlich auf die gesundheitlichen Probleme in Entwicklungsländern, wie beispielsweise Verbreitung von Infektionskrankheiten", erklärte Thomas Junghanss, Leiter der Sektion Klinische Tropenmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg.

Global Health: Aspekte aus Natur- und Sozialwissenschaften

Global Health dagegen beschäftige sich mit sozioökonomischen und sozioökologischen Folgen der Globalisierung, und zwar sowohl auf Entwicklungsländer als auch auf Industrieländer.

Global Health ist laut Junghanss ein "interdisziplinäres Lern- und Forschungsgebiet", das Aspekte sowohl aus den Natur- als auch Sozialwissenschaften einbezieht, um die sozialen Zusammenhänge zu verstehen und Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer Verbesserung der Gesundheit weltweit beitragen.

Allerdings befinde sich die akademische Landschaft in Deutschland im Bereich Global Health noch in einer frühen Entwicklungsphase. "Wir brauchen nationale Think Tanks und akademische Zentren für Global Health", forderte Junghanss. Diese sollen definieren, was Global Health im Einzelnen erreichen soll und anschließend die Forschung vorantreiben.

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