Viele Wirte in Österreich pfeifen auf Nichtraucherschutz

Der Nichtraucherschutz in Österreich greift nicht. Studienergebnisse zeigen eine erhöhte Staubbelastung in der Wiener Gastronomie durch Tabakkonsum.

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Die Studienergebnisse zeigen eine erhöhte Staubbelastung in der Wiener Gastronomie durch Tabakkonsum.

Die Studienergebnisse zeigen eine erhöhte Staubbelastung in der Wiener Gastronomie durch Tabakkonsum.

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WIEN (eb). Zigarettenrauch ist die bedeutendste Quelle für Fein- und Ultrafeinstaub in Innenräumen.

"Vor allem Menschen, die in einer Umgebung mit hoher Feinstaubbelastung durch Zigarettenrauch arbeiten müssen, haben ein erhöhtes Risiko, an einer mit Passivrauchen assoziierten Erkrankung zu sterben", betont Armin Schietz, Diplomand am Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien.

"Dazu zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, respiratorische Infekte, Asthma und Lungenkrebs."

88 Gastronomiebetriebe in Wien untersucht

In einer aktuellen Studie, die er vorgelegt hat, wurden aus 114 Räumen in 88 Wiener Gastronomiebetrieben im Zeitraum vom 6. November 2010 bis 6. Mai 2011 (vier bis zehn Monate nach Ende der gesetzlichen Übergangsfrist) Proben genommen. Darunter waren 16 Cafés, 51 Bars und Pubs, 14 Restaurants und sieben Diskotheken.

22 untersuchte Gaststätten waren ausschließliche Nichtraucherlokale, 20 waren ausschließliche Raucherlokale und 46 Betriebe hatten sowohl Raucher- als auch Nichtraucherbereiche.

Messung dauerte 20 Minuten

In jedem Bereich wurde 20 Minuten lang gemessen. In Lokalen mit Raucher- und Nichtraucherzimmern fanden die Messungen unmittelbar nacheinander statt. Um repräsentative Proben zu erhalten, wurden die Messungen in den Hauptbetriebszeiten der Lokale durchgeführt.

Schietz: "Wir besuchten die Restaurants mittags oder abends, Cafés in den frühen Nachmittagsstunden und Bars am Abend. In den Diskotheken wurde die Luftqualität zu späteren Nachtstunden erhoben."

"Besorgniserregend ist die hohe Zahl an Gesetzesverstößen bezüglich des Nichtraucherschutzes nach dem Tabakgesetz, da offenbar behördliche Kontrollen fehlen und kaum Sanktionen bei Gesetzesverletzungen befürchtet werden", fasst der Diplomand die Erkenntnisse aus seiner Studie zusammen.

In 24 Lokalen stand Verbindungstür ständig offen

In zwölf Lokalen waren zum Zeitpunkt des Besuchs Raucher- und Nichtraucherraum falsch oder gar nicht nach Paragraf 13b des österreichischen Tabakgesetzes gekennzeichnet. In sechs Betrieben war der Hauptraum als Raucherraum gekennzeichnet.

Bei 24 Gaststätten stand die Verbindungstür zwischen Raucher- und Nichtraucherraum ständig offen, und 14 Lokale hatten trotz einer Größe des Gastraums von mehr als 50 Quadratmetern kein abgetrenntes Nichtraucherzimmer.

"61 Prozent der untersuchten Gastbetriebe verstießen gegen das Gesetz"

Hinzu kam, dass 13 Betriebe das Rauchen im ausgewiesenen Nichtraucherbereich gestatteten. Besonders schlecht schnitten Diskotheken ab, bei denen von sieben nur eine einzige gesetzeskonform geführt war. Schietz: "Insgesamt verstießen somit 61 Prozent der untersuchten Gastbetriebe ein- oder mehrfach gegen das Gesetz, und das vier bis zehn Monate nach dem Ende der Übergangsbestimmungen."

"Unsere Studie sollte auch aufzeigen, wie stark die Ultrafeinstaub-Belastung in Innenräumen vom Zigarettenrauch abhängt und wie sehr sich diese Belastung in den verschiedenen Bereichen unterscheidet", so Armin Schietz.

Erschreckende Ergebnisse

Die Ergebnisse seien erschreckend gewesen. "In ausschließlichen Nichtraucherlokalen fand man im Median eine Ultrafeinstaub-Belastung, die deutlich unter dem von der WHO empfohlenen Grenzwert für das Tagesmittel lag. In Raucherlokalen und Raucherbereichen waren die Belastungen erwartungsgemäß am höchsten, im Schnitt um beinahe das Siebenfache vom Grenzwert."

Der von der WHO empfohlene Grenzwert für das Tagesmittel wurde in Nichtraucherbereichen nur in 14 Fällen (36 Prozent) unterschritten.

"Daraus lässt sich folgern, dass das derzeit bestehende Tabakgesetz in Österreich nicht in der Lage ist, einen angemessenen Schutz vor Feinstaub in Nichtraucherbereichen gemischter Lokale zu gewährleisten", zieht Schietz ein erstes Resümee.

Lokale unter 50 Quadratmetern haben Wahlrecht

Die österreichische Ärztekammer tritt für ein generelles Rauchverbot ein: "Dass können wir nicht oft genug betonen und immer wieder zum Thema machen", so Ärztekammerpräsident Walter Dorner.

Besteht ein Lokal aus mehreren Räumen, muss in Österreich der Hauptraum, der auch mehr als 50 Prozent der Plätze beinhalten muss, rauchfrei sein.

Lokale unter 50 Quadratmetern haben Wahlrecht, ob Rauchverbot herrscht. Diese sind hierbei verpflichtet, deutlich zu kennzeichnen, ob es sich um ein Raucherlokal handelt.

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