„Horizon Europe“

Europa im Kampf gegen Krebs im Kindesalter

Forschungsprojekte in der pädiatrischen Onkologie sind komplex und teuer. Helfen könnte die Europäische Union: Sie will die Forschung zu Kinderkrebs stärker fördern – mit „Horizon Europe“. Deutschland könnte die Speerspitze bilden.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die pädiatrische Onkologie stellt hohe und spezielle Anforderungen an die Medikamentenforschung.

Die pädiatrische Onkologie stellt hohe und spezielle Anforderungen an die Medikamentenforschung.

© Thomas Söllner / fotolia.com

Positive Reaktionen erhält die Europäische Union (EU) für ihr Vorhaben, die Forschung stärker zu fordern. Das EU-Parlament hatte vergangene Woche in seiner letzten Sitzung vor den Europawahlen das Programm „Horizon Europe“ beschlossen. Darin sollen die Krebsforschung und besonders die Kinderkrebsforschung mit rund einer Milliarde Euro im Zeitraum 2021 bis 2027 gefördert werden.

Horizon Europe folgt dem gegenwärtigen Programm „Horizon 2020“, in dem die Medizinforschung bereits eine große Rolle gespielt hat.

Nach Ansicht des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) kann von Horizon Europe ein Impuls gerade für die deutsche Pharmaindustrie ausgehen. Intensive Grundlagenforschung sei der Ausgangspunkt für die neuartigen Krebsmedikamente der vergangenen 20 Jahre gewesen. Sie hätten vielen Patienten mehr Lebenszeit gegeben oder gar zur Heilung beigetragen, resümiert Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung beim vfa.

Sinnvolle Einbettung in „Dekade gegen Krebs“

Allerdings ist Krebs nicht gleich Krebs: Vor allem über seltene Krebsarten, die insbesondere Kinder treffen, ist noch immer zu wenig bekannt. Entsprechend sind die Therapieoptionen begrenzt. „Das könnte sich wesentlich bessern, wenn dieses Feld zum Schwerpunkt europaweiter Forschungsanstrengungen wird“, erläutert Throm im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

„Wissenschaftler in Unikliniken, Forschungsinstituten sowie Pharma- und Biotech-Firmen in Deutschland können in dieser Forschung eine wichtige Rolle spielen“, so Throm weiter. Er verwies außerdem darauf, dass die Bundesrepublik die Krebsforschung gerade mit der „Nationalen Dekade gegen Krebs“ hoch auf die Agenda gesetzt hat.

Im Januar hat Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) die von ihrem Hause initiierte „Nationale Dekade gegen den Krebs“ gemeinsam mit ihrem Parteikollegen und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Dekade ausgerufen. Mit im Boot sind das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Deutschen Krebshilfe.

Innovationen schneller in Alltag bringen

Die Forschungsstrategie zielt darauf ab, in den nächsten zehn Jahren neue wissenschaftliche Erkenntnisse schneller in den medizinischen Alltag zu bringen. Auch Prävention und Früherkennung sollen systematisch erforscht und ausgebaut werden.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) misst der Dekade sogar noch mehr Bedeutung bei. „Der BPI begrüßt, dass sich die EU im Rahmen von Horizon Europe verstärkt für die Krebsforschung insbesondere gegen Krebsleiden von Kindern einsetzen möchte“, sagte Dr. Kai Joachimsen, seit Januar Hauptgeschäftsführer beim BPI, der „Ärzte Zeitung“.

„Es wäre jedoch wünschenswert, dass diese Aktivitäten verstärkt gesamteuropäisch koordiniert würden, zum Beispiel mit Deutschland bei der Nationalen Dekade gegen den Krebs“, so Joachimsen. Kinder seien eben keine kleinen Erwachsenen und bedürften spezieller Therapien, mahnt er. „Gerade in der Onkologie muss dezidiert geforscht werden, um Arzneimittel für die Verwendung bei Kindern zu entwickeln“, resümiert Joachimsen, der selbst Mediziner ist.

Noch kann die Onkologie Federn lassen müssen

Wie der portugiesische EU-Forschungskommissar Carlos Moedas betont, soll Horizon Europa weitgehend das Programm „Horizon 2020“ fortsetzen. Es werde jedoch Neuerungen geben wie den Europäischen Innovationsrat (European Innovation Council/EIC).

Der befindet sich bereits in der Pilotphase und soll als zentrale Anlaufstelle für Forscher und Start-ups fungieren. Der EIC soll helfen, Innovationen vom Labor bis zur Marktreife zu führen und Ideen in einem größeren Maßstab umzusetzen (Scaling-up).

Ob die Mittel in Höhe von einer Milliarde Euro den Krebsforschern tatsächlich bereitstehen werden, ist indes noch nicht ganz sicher. Denn die Europäische Kommission hat für Horizon Europe insgesamt ein Budget in Höhe von 94,1 Milliarden Euro veranschlagt. Die EU-Parlamentarier fordern nun aber 120 Milliarden Euro für Europas Prestige-Forschungsprojekt.

Der politische Druck ist allerdings denkbar groß: „Da tun wir ganz konkrete Schritte, indem wir eine Mission zum Thema Krebs nach vorne stellen und indem wir auch in diesem Programm das Thema Krebs bei Kindern noch deutlicher adressieren“, mahnte Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, bei der abschließenden Debatte im EU-Parlament.

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