Mindestbesetzung auf Klinikstationen

Schwierige Berechnung von Untergrenzen

Für pflegesensitive Bereiche in Kliniken soll es künftig Mindestbesetzungen geben. Was so einfach klingt, ist in der Realität extrem schwierig zu realisieren.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Wie viel Personal wird benötigt? Die Berechnung ist anspruchsvoll..

Wie viel Personal wird benötigt? Die Berechnung ist anspruchsvoll..

© Miriam Doerr / Stock.adobe..com

BERLIN. Als eines ihrer letzten Akte hat die alte große Koalition mit dem neuen Paragrafen 137i den Abschnitt Qualitätssicherung um eine weitere Vorgabe ergänzt: Danach müssen der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) im Benehmen mit dem PKV-Verband pflegesensitive Bereiche im Krankenhaus festlegen, für die bis spätestens zum 30. Juni 2018 verbindliche Pflegepersonaluntergrenzen vereinbart werden, die ab 2018 wirksam werden. Dazu gehörende Intensiveinheiten sind ebenso zu berücksichtigen wie Besetzungen im Nachtdienst.

Ferner müssen Vorkehrungen getroffen werden, mit denen verhindert wird, dass durch Personalverlagerung Lücken in anderen Krankenhausbereichen entstehen. Da aber Pflegepersonal generell knapp ist, müssen Ausnahmetatbestände definiert und Übergangsregelungen geschaffen werden. Andererseits: Bei Nichteinhaltung der Vorgaben soll es Vergütungsabschläge geben, die noch konkret ausgestaltet werden müssen.

Ferner muss die Erfüllung der Vorgaben für die Besetzung in pflegesensitiven Bereichen in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser ausgewiesen werden. Kommt es zu keiner Lösung auf der Selbstverwaltungsebene, kann das Bundesgesundheitsministerium zu Ersatzvornahmen greifen oder die automatische Schiedsstelle tritt in Aktion.

Maximal 330 Millionen Euro

Die vom Gesetzgeber gestellte Aufgabe ist keineswegs trivial, wie Dr. Wulf-Dietrich Leber, zuständiger Abteilungsleiter Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband, bei den Bad Orber Gesprächen dargelegt hat.

Zur Finanzierung des erhöhten Pflegepersonalbedarfs stehen maximal jährlich 330 Millionen Euro zur Verfügung. Die Verteilung der Mittel soll über eine verbesserte Abbildung des erhöhten Pflegebedarfs durch Berücksichtigung von Pflegegraden im DRG-System erfolgen. Ferner müssen Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen konkret definiert werden.

In einer Expertise hat der Hamburger Gesundheitsökonom Professor Jonas Schreyögg den Zusammenhang zwischen Pflegeverhältniszahlen und pflegesensitiven Ergebnisparametern aus einer Zusammenführung von Daten aus den Abrechnungsergebnissen und den Daten der Qualitätsberichte ermittelt. Solche evidenzbasierten pflegesensitiven Ergebnisparameter sind etwa Dekubitus, Harntraktinfektionen, im Krankenhaus erworbene Pneumonien, Sepsis oder physiologische/metabolische Entgleisungen.

Pflege als "empirische Wüste"

In 15 von 28 Fachabteilungen bestehen signifikante Zusammenhänge zwischen der Pflegepersonalausstattung und dem Auftreten unerwünschter Ereignisse. Die Konsequenz wäre, dass in diesen Abteilungen mehr Pflegepersonal eingesetzt würde. Das Vorgehen in der Expertise von Schreyögg hält Leber für plausibel – die empirische Datenbasis aber für unzureichend:

» Es gebe keinen Überblick über die tatsächliche Stationsbesetzung.

» Zwischen Bettenbelegungsplanung und Stationsbesetzung gebe es keinen Zusammenhang und keine abgestimmte Planung, nicht einmal in guten Kliniken.

» Man wisse nicht, wann und wo Fehler geschehen.

» Abrechnungsdaten der Kliniken seien "DRG-durchseucht" – will sagen: Was als Komplikation nicht DRG-relevant ist, wird nicht kodiert.

"Das ist alles Voodoo, die Pflege im Krankenhaus ist eine empirische Wüste", so Leber. Notwendig sei es, in den nächsten Monaten eine einigermaßen verlässliche Datenbasis zu ermitteln. Dabei müsse auch der individuelle Pflegebedarf der Patienten berücksichtigt werden, der je nach Abteilung, aber auch im Zeitablauf variieren kann. Zwischen Belegungsplanung und Dienstplanung müsse ein Zusammenhang hergestellt werden. Leber: "Wer nicht monatlich die pflegebedarfs-adjustierten Personal-Patienten-Quoten für alle Stationen und Schichten überprüft, hat seinen Laden nicht im Griff." Nötig sei eine repräsentative Stichprobe von Dienstplänen mit Besetzung je Schicht und Station, um Pflegepersonaluntergrenzen verantwortlich festlegen zu können. Am Ende sollte eine tag-genaue Abfrage zu stationsbezogenen Schichtbesetzungen im Vergleich zum Pflegebedarf möglich sein, um ein noch eben tolerierbares Ausmaß an Unterbesetzung zu bestimmen.

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