TV-Kritik

"In Kliniken stürzt jeden Monat ein Jumbo ab"

Von Anja Krüger Veröffentlicht:
Ralf Wolf, bekam eine falsche Krebsdiagnose, Dr. Theodor Windhorst, Chefarzt des interdisziplinären Lungenzentrums Bielefeld Mitte, Vorstand Bundesärztekammer und Krebsgesellschaft NRW und Annette Widmann-Mauz, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.

Ralf Wolf, bekam eine falsche Krebsdiagnose, Dr. Theodor Windhorst, Chefarzt des interdisziplinären Lungenzentrums Bielefeld Mitte, Vorstand Bundesärztekammer und Krebsgesellschaft NRW und Annette Widmann-Mauz, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.

© Oliver Ziebe / WDR

Fernseh-Moderator Frank Plasberg ist dafür bekannt, seine Talkrunde im Ersten mit einer pfiffigen Frage für die Schlussrunde zu beenden. Bei der Sendung am vergangenen Montag verzichtete er darauf - zugunsten eines Grußes an den ehemaligen Chefarzt einer Münchener Klinik.

Damit zollte der Moderator dem Mediziner Respekt für den Einsatz für die junge Zarina Zemarai, die nach einem Behandlungsfehler ihr Leben im Rollstuhl verbringen muss.

Ein gelungener Schlusspunkt für eine gelungene Diskussion. Das "Tabuthema Ärztepfusch - wer hilft den Patienten?" stand bei "hart aber fair" in der ARD auf dem Programm.

Die einleitenden Sätze im Trailer ließen nichts Gutes ahnen. "Verkeimte Kliniken, Fehldiagnosen, Schlampereien im OP - ärztliche Heilkunst ist zu oft tödlich", hieß es, und: "Machen Ärzte gerade deshalb Fehler, weil sie unfehlbar sein wollen?"

Doch glücklicherweise war die Diskussion nicht annähernd so plakativ. "Wir sind keine Halbgötter in Weiß, auch keine Ganzgötter", stellte Dr. Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Vorstand der Bundesärztekammer, gleich zu Beginn fest.

BMG will Fehlerkultur etablieren

Statt schwarz-weiß zu malen, gelang den Machern der Sendung ein wirklich schwieriger Balance-Akt: Sie brachten den Zuschauern Opfer von schlimmen Fehlern nahe, ohne sie zu Anschauungsobjekten zu degradieren - den ehemaligen Vollzugsbeamten Ralf Wolf, der sein Leben aufgrund einer falschen Krebsdiagnose als verpfuscht ansieht.

Oder den Ingenieur Eugen Ordowski, dessen zu früh geborener Enkel nach der Gabe falsch dosierter Augentropfen zu erblinden droht, und die lebenslustige Zarina Zemarai, die nach jahrelangem Rechtsstreit 350.000 Euro Schmerzensgeld bekommen hat.

Der von Plasberg gegrüßte Chefarzt hatte sich öffentlich für eine Entschädigung eingesetzt, berichtete ihr Anwalt Wolfgang Putz. "Dafür hat er kräftig büßen müssen", sagte er.

In einem war sich die Runde einig: Ärzte stehen unter gewaltigem Druck. Und doch müssen sie sich die Zeit für schlechte Botschaften an Patienten nehmen, vor allem, wenn ein Fehler geschehen ist.

"Wir wollen eine Fehlerkultur etablieren", sagte Annette Widmann-Mauz (CDU). Die Staatssekretärin im BMG glaubt, dass die Regierung mit dem geplanten Patientenrechtegesetz auf dem richtigen Weg ist.

Dem mochte sich Thomas Isenberg, früher Gesundheitsexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband, heute für die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, nicht anschließen.

Er blies in die laute Trompete: Es sei nicht akzeptabel, dass in Kliniken jeden Monat so viele Menschen sterben, wie in einem Jumbojet sitzen könnten. Beim Thema Sicherheit gebe es im Flugverkehr klare Regeln - aber nicht im Gesundheitswesen.

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 07.03.201210:20 Uhr

Eine Frage der Motivation

Bei gesetzlichen regulatorischen Eingriffen in das Gesundheitswesen neigen der Staat und alle die entsprechendes abfordern - gelegentlich auch die Selbstverwaltung - dazu, eine Grundvoraussetzung zu übersehen, nämlich die Notwendigkeit, die Beteiligten zu entsprechendem Handeln zu motivieren. Dies gebietet schon der Grundsatz nicht konflikt- sondern zielorientiert zu denken.

Fehlervermeidungsstrategien (-"Kultur") wie sie mit dem Selbstbekenntnis zahlreicher Professoren zu eigenen Kunstfehlern - auf Anregung der Bundesärztekammer - angeschoben worden waren, stellen einen Ansatz dar, die Implementierung von Fehlervermeidungs- und Bekenntnisstrategien in die Ausbildung und die Weiterbildungsordnung einen weiteren.

In der Industrie gelten Unfehlbarkeitsattitüden längst als KO-Kriterium für eine Karriere, bei uns Ärzten sind diese noch in großem Umfang vorhanden.

Ein lesenswertes Buch über Kunstfehler und Ihre Entstehung beginnt mit dem Satz: "Ärztliche Behandlungsfehler enden nicht selten tödlich. Die Bereitschaft dies zu leugnen ist ausgeprägt"
Die nachfolgende Generation ist jetzt aufgerufen, den Gegenbeweis anzutreten.

Ungeachtet der unvermeidlichen Wichtigtuerei von Gesundheitsexperten in diversen Talkshows und entsprechender Zustimmungs- oder Abwehrreaktionen gilt dabei für alle Seiten
Selbstständigkeit bedeutet Selbstmotivation. Demotivation ist leistungszerstörend.

Dr. Berthold Neu 07.03.201209:46 Uhr

Nicht die Ärzte sind schuld sondern Organisationsstruktur und Personalmangel

Behandlungsfehler sind das Resultat von Systemfehlern, die durch ökonomisch vorgegebene Organisationsstrukturen mit mangelhaften Personal- und Zeitresourcen entstehen. Hinter dem eng bemessenen medizinischen Personal stehen die wahren Täter, werden jedoch nie zur Haftung herangezogen, weil es juristisch einfacher ist, gegen Ärzte vorzugehen als gegen Geschäftsführer.

Dr. Thomas Georg Schätzler 07.03.201200:05 Uhr

Eulen nach Athen tragen?

Die Boeing 747-400, im Volksmund "Jumbo" (Riese, Gigant, Elefant) genannt, hat durchschnittlich 350 bis 400 Sitzplätze für Passagiere. Der Airbus A380 ("Super-Jumbo") kann in den gegenwärtigen Versionen 550 bis 853 Reisende transportieren, die Besatzungen nicht zu vergessen. Und niemand, wirklich niemand, außer vielleicht Terroristen, möchte, dass monatlich ein derartiges Großraumflugzeug abstürzt. Genauso wenig will keiner, der nur einen Funken Verstand besitzt, dass derart viele Menschen pro Monat in deutschen Kliniken zu Schaden kommen. Von daher ist der Vergleich von Thomas Isenberg, selbsternannter Gesundheitsexperte und für die SPD im Berliner Abgeordnetenhaus, nicht nur unangemessen, sondern auch dumm.

Dass es beim Thema Sicherheit im Flugverkehr klare Regeln gibt, verhindert keineswegs technisches und menschliches Versagen - und tragischer Weise auch keine Flugzeugabstürze oder Katastrophen am Boden. Aber für das Gesundheitswesen behaupten zu wollen, es gäbe dort für a l l e Leistungserbringer in Klinik und Praxis k e i n e klaren Regeln, Sicherheitsvorkehrungen, Leitlinienkorridore, Handlungsanleitungen, Arbeitsplatzbeschreibungen bzw. Verlaufs- und Prozessqualitätssicherung, der hat die letzten 20 Jahre wohl verschlafen oder unbeirrt seine Vorurteile gepflegt.

Zum Schluss: Im Jahr 2010 verstarben in Deutschland insgesamt 858 768 Menschen, davon 409 022 Männer und 449 746 Frauen (www.destatis.de). Wegen der Überalterung ist die Tendenz steigend. Dies kann die Implementierung zusätzlicher Sicherheits- und Regelstrukturen in Klinik und Praxis nicht aufheben. Und neben apparativen und technischen Aufrüstungen sind auch personelle und tarifliche Verbesserungen notwendig. Zuwendung, Empathie, Verständnis und Heilkunst werden von den professionellen Helfern erwartet, gefordert und sollen tagtäglich realisiert werden. Von Gesundheitspolitikern vergleichbar aktive, empathische Aufmerksamkeit zu erwarten, hieße wahrlich "Eulen nach Athen tragen".

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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