Pädiater

Hartmanns Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Eine Bilanz nach zwölfjähriger Präsidentschaft des Pädiater-Chefs Dr. Wolfram Hartmann zeigt: Beharrlichkeit, die bisweilen sogar Penetranz erreicht, kann in der Gesundheitspolitik zum Erfolg führen - auch in der Präventionspolitik.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
U7a- Untersuchung in einer Kinderarztpraxis. Die Vorsorgeuntersuchungen sind in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden.

U7a- Untersuchung in einer Kinderarztpraxis. Die Vorsorgeuntersuchungen sind in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden.

© Rose / dpa

BAD ORB. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte war in den vergangenen zwölf Jahren nicht nur ein starker Interessenverband für Kinder- und Jugendärzte, sondern vor allem auch ein Anwalt für kranke Kinder und deren Familien.

Mit dieser Bewertung wird man den Verdiensten Dr. Wolfram Hartmann wohl am ehesten gerecht, der 24 Jahre lang verantwortliche Positionen im BVKJ ausgefüllt und die vergangenen zwölf Jahre als Präsident den Kurs der Pädiater in Deutschland maßgeblich bestimmt hat.

Am vergangenen Wochenende hat der Kreuztaler Kinder- und Jugendarzt in einer "Abschiedsrede" beim Bad Orber Herbstkongesses 2015 Bilanz gezogen.

Und die kann sich in der Tat sehen lassen, standen Pädiater noch vor Jahren am Ende der Einkommensskala aller Arztgruppen und waren zudem in der ärztlichen Selbstverwaltung kaum vertreten. "Wir wurden", so Hartmann, "von anderen Arztgruppen lange Zeit etwas belächelt und nicht ganz ernst genommen."

Ausbau der Früherkennung

Das hat sich indes grundlegend geändert, der Verband kann zu Recht auf beachtliche Erfolge verweisen, die Hartmann geschickt eingefädelt hat. So hat er die inneren Strukturen im Verband ausgebaut und professionalisiert. Erfolgreich ist er dafür eingetreten, dass heute praktisch alle Impfungen von den Krankenkassen übernommen werden.

Das Früherkennungsprogramm für Kinder und Jugendliche ist von ursprünglich neun Vorsorgeuntersuchungen auf nunmehr 14 ausgebaut worden. Neben der U7a mit drei Jahren und der J1 für Jugendliche zwischen 12 und 14 Jahren waren dies zuletzt die U10 und die U11 als neue Vorsorgen im Schulalter sowie die J2 für Adoleszenten im Alter von 16 und 17 Jahren.

Auch wenn diese neuen Vorsorgen politisch lange Zeit als GKV-Leistung nicht durchsetzbar waren, ließ sich Hartmann davon nicht beeindrucken und schloss über die BVKJ Service GmbH mit einer Krankenkassen nach der anderen entsprechende Selektivverträge ab.

Und dieser taktische Schachzug ging voll auf, weil diese neuen Vorsorgen nun im Präventionsgesetz verankert sind und für alle Kinder und Jugendlichen zur Pflichtleistung der GKV werden. Zu Recht sieht Hartmann dies als Meilensteine an, weil mit den neuen Vorsorgen auch die von ihm immer wieder eingeforderte primäre Prävention nun Eingang in die Früherkennungsprogramme für Kinder gefunden hat.

Natürlich konnte Hartmann berufspolitisch nicht alles durchsetzen, was er sich vorgenommen hatte. Zwar hat er den schwierigen Spagat gemeistert, die Pädiater als Fachärzte in der hausärztlichen Versorgung zu verankern.

Doch das Verhältnis zum Hausärzteverband ist belastet. Mit verbalen Scharmützeln von beiden Seiten ist hier immer wieder Porzellan zerschlagen worden. Das ist deshalb nicht so ganz nachzuvollziehen, weil Kinder-und Hausärzte auf Landesebene und erst recht vor Ort häufig sehr gut miteinander klar kommen.

Neben der eigentlichen Berufspolitik war Hartmann jedoch die Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Kindern immer ein ganz besonderes Anliegen, das er konsequent verfolgte. Zum Beispiel zuletzt bei seinem Einsatz für die verpflichtende Impfberatung für Eltern vor der Aufnahme ihrer Kinder in Betreuungseinrichtungen.

Aktuell auf der Agenda: Medizin für Flüchtlinge

Auch aktuell setzt er sich Tag für Tag vehement für die Verbesserung der medizinischen Versorgung von Flüchtlingskindern ein. Nicht immer war er mit seinen Vorstößen erfolgreich. Seine Forderungen nach der Etablierung eines Kinderbeauftragten im Bundestag, nach einer Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, nach einem nationalen Impfkonzept oder aber nach Einführung eines Ampelsystems für Lebensmittel sind immer wieder verpufft.

Dass Hartmann Themen auch emotional berühren können, zeigt das Beschneidungsgesetz. Bei diesem Gesetz sieht er weder die geforderte absolute Schmerzfreiheit noch Umsetzung der Regeln der ärztlichen Kunst als in der Praxis gesichert an. Die Interessen der Kinder seien hier einem politischen Frieden geopfert worden, so sein Vorwurf.

Da Hartmann also in seiner Zeit als BVKJ-Präsident sehr vieles, aber nicht alles auf den Weg bringen konnte, kündigte er in Bad Orb an, auch weiter seine Stimme für das Wohlergehen von jungen Menschen und ihren Familien zu erheben. Künftig dann in der Rolle als Schriftleiter der Zeitschrift "Kinder- und Jugendarzt". Für Kinder und Jugendliche in Deutschland sicherlich eine gute Nachricht.

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