Flüchtlinge

Ärzte der Welt fordert Aus für Ankerzentren

Das Pilotprojekt „Ankerzentren“ sollte noch in diesem Jahr beendet werden, fordern die Ärzte der Welt.

Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Die Lebensbedingungen in den Ankerzentren verstoßen gegen Mindeststandards zur Unterbringung von Asylsuchenden und schaden massiv der psychischen Gesundheit der Bewohner, kritisieren die Ärzte der Welt. Sie fordern deshalb, das Pilotprojekt „Ankerzentren“ in seiner jetzigen Form noch vor 2020 zu beenden.

„Die Zustände in Ankerzentren und Massenunterkünften machen psychisch gesunde Menschen krank und psychisch Kranke noch kränker“, so Stephanie Hinum, Mitarbeiterin Ärzte der Welt und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Aufgrund ihrer offenen Sprechstunde in der Ankereinrichtung Manching/Ingolstadt hat Hinum einige Erfahrungen gesammelt.

Sie berichtet beispielsweise von einem jungen Schizophrenie-Patienten, der unter anderem an akustischen Halluzinationen litt. Für ihn sei schon das gemeinsame Essen im lauten Speisesaal eine Tortur gewesen. Auch eine junge Frau, die auf ihrer Flucht in einem libyschen Foltergefängnis interniert gewesen war und unter Posttraumatischer Belastungsstörung leidet, sei in die Sprechstunde gekommen.

Alles in der Einrichtung – die nicht abschließbaren Duschen, gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Bewohnern und Sicherheitsdienst oder Polizeikontrollen – löse bei der Patientin Erinnerungen an ihre schrecklichen Erlebnisse aus.

„Solche Menschen gehören nicht in ein Ankerzentrum. Sie gehören generell nicht in eine Massenunterkunft“, betonte Hinum. Es mangele jedoch an einem System, besonders Schutzbedürftige rasch und systematisch zu identifizieren. Die Menschen lebten in Mehrbettzimmern, die sie nicht abschließen dürften. Es fehle an Rückzugsräumen.

Die Mehrzahl der Patienten litten außerdem an Schlafstörungen. Die Beobachtungen des Ärzte der Welt-Teams deckten sich dabei mit denen anderer Experten, die die Auswirkungen von Ankerzentren und Massenunterkünften auf die Gesundheit von Asylsuchenden untersucht hätten.

„Die Verschärfung der Asylgesetzgebung in den letzten Jahren höhlt das Recht auf Gesundheit zunehmend aus, um Menschen davon abzuschrecken, nach Deutschland zu kommen. Dieses Mittel der Abschreckung ist ebenso wirkungslos wie inakzeptabel“, so François De Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt. „Wir fordern eine dezentrale Unterbringung von Asylsuchenden sowie die Einhaltung nationaler und internationaler Mindeststandards. Die Lebensbedingungen der Menschen in den Unterkünften müssen umgehend verbessert werden.“ (ato)

Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen