Praxismanagement

Hausbesuche: Keine Rückkehr der Treppenterrier

Vor einem Jahr wurden die Hausbesuche vom Honorar her aufgewertet. Doch zumindest für Hausärzte in Hessen gibt es noch keinen Anlass, ihr Verhalten umzustellen.

Von Bernd W. Alles Veröffentlicht:

Die Treppenterrier sind (noch?) nicht zurück. Nach der Aufwertung der Hausbesuche, auch durch die Herausnahme der Leistungen aus dem RLV, zeigt die Auswertung der Abrechnungsstatistiken aus Hessen aus den Quartalen II und III/2011, verglichen mit I/11, dass es keine Ausweitung der Leistungen gegeben hat.

Bei weitgehend stabilen hausärztlichen Fallzahlen (Hessendurchschnitt I/11 = 1237 Fälle, II/11 = 1180 Fälle, III/11 1202 Fälle) hat sich die Frequenz der Hausbesuche im Vergleich der Quartale I/11 mit II und III/11 so gut wie nicht verändert.

Die Leistungsfrequenz der EBM-Ziffer 01410 - Hausbesuche - ist mit 9 pro hundert Fällen völlig gleich geblieben. Will heißen, dass eine Hausarztpraxis mit durchschnittlicher Fallzahl, sagen wir mal 1200 Fälle pro Quartal, 108 Hausbesuchsleistungen nach EBM-Nummer 01410 erbringt.

Bei ca. 60 Arbeitstagen pro Quartal sind das noch nicht einmal zwei Hausbesuche pro Arbeitstag. Ähnlich ist das Abrechnungsverhalten bei den Ziffern 01413 (zusätzlicher Hausbesuch in häuslicher Gemeinschaft/Altenheim) und 01415 (dringender Besuch im Altenheim).

Auch hier hat sich die Frequenz der Leistungserbringung mit 9 pro hundert Fällen (Ziff. 01413) bzw. 1 pro hundert Fällen (Ziff. 01415) überhaupt nicht vom Fleck bewegt.

Ist der Leistungsanreiz nicht hoch genug? Haben die Kolleginnen und Kollegen noch nicht bemerkt, dass sie eventuell Umsatz "verschenken"? Oder denken sie einfach "Wir werden sowieso runter gekürzt, wenn wir mehr Hausbesuche fahren"?

Ökonomisch gesehen ist dieses Leistungsverhalten irrational. Und zwar in doppelter Hinsicht: Die Hausbesuche hatten bis I/11 einen wichtigen Anteil zur Auffüllung des RLV.

Verwirrend: Ständig sinkende Zusatzbudgets

Um kein Geld aus dem RLV zu "verschenken", müssten die Hausbesuche durch andere Leistungen innerhalb des RLV substituiert werden. Was ja so einfach nicht ist, da der "Pauschal-EBM" nur eine begrenzte Abrechnungspalette liefert.

Und dann sind die Hausbesuche erstens aufgewertet und zweitens außerhalb des RLV - quasi ungedeckelt - abrechenbar. Und könnten damit Umsatzlücken des RLV auffüllen - oder sogar mehr.

Nun sind zwei Quartale nicht repräsentativ für eine endgültige Analyse des Leistungsverhaltens. Vielleicht braucht der eine oder andere Kollege erst mal einen Blick auf seine Kontoauszüge, um den Ernst der Situation zu erkennen und entsprechend zu reagieren.

Denn: Die RLV in Hessen sind beständig abgesenkt worden. Sie betrugen in I/11 42,28 Euro pro relevantem Fall, in II/11 nur noch 40,44 Euro und in III/11 schlappe 39,68 Euro - Tendenz: weiter sinkend.

Zusätzlich verwirrend ist das Spiel mit den ständig sich ändernden Zusatzbudgets, das fast quartalsweise das Abrechnungsgeschehen weiter aufmischt. Von Planungssicherheit kann nach wie vor keine Rede sein.

In einem Fall haben sich die hessischen Hausärzte vielleicht rational verhalten, vielleicht auch nicht. Die Anzahl der Praxen, die samstags Leistungen (nach Ziffer 01102 EBM) erbringen, hat von 574 Praxen in I/11 auf 464 Praxen und in II/11 auf 467 verändert.

Die Leistungserbringungsfrequenz (1 pro 100 Fälle) ist ohnehin sehr gering. Das Wochenende scheint den Kolleginnen und Kollegen heilig zu sein.

So nebenbei bemerkt man im Quartalsvergleich den "Schwund" der hausärztlichen Praxen in Hessen. Ihre Zahl hat sich nach den zitierten Statistiken allein von I/11 bis III/11 um 20 verringert.

Man muss abwarten, ob die Nicht-Reaktion bei neuen EBM-Anreizen anhält oder sich doch noch ändert. Aber vielleicht spricht daraus schlicht Resignation vor dem System.

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