Interview

Spahn zur E-Card: "Die Blockierer bestimmen das Tempo"

Immer wieder ist die Einführung der E-Card ins Stocken geraten. Ein Grund: die Angst der Ärzte vor Transparenz, glaubt Jens Spahn. Im Interview mit der "Ärzte Zeitung" fordert der CDU-Politiker mehr Eigeninitiative von der Selbstverwaltung, sonst werde die Politik eingegreifen.

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CDU-Politiker Spahn: "Die Blockierer bestimmen das Tempo, das ist sehr unbefriedigend."

CDU-Politiker Spahn: "Die Blockierer bestimmen das Tempo, das ist sehr unbefriedigend."

© Stephan Baumann

Ärzte Zeitung: Herr Spahn, bis zum Ende des Jahres sollen 70 Prozent der elektronischen Gesundheitskarten ausgeben sein. Die Kritik an der sogenannten E-Card reißt jedoch nicht ab. Kritiker fürchten Datenmissbrauch.

Jens Spahn: Das stimmt. Allerdings stehen bei der Diskussion viel zu sehr irgendwelche Verschwörungstheorien im Vordergrund. Wir müssen mal einen Blick darauf werfen, was wirklich geplant ist, und auch darauf, wie die Kommunikation bereits heute läuft.

Ärzte Zeitung: Wie läuft diese denn ihrer Meinung nach?

Spahn: Nicht wenige Ärzte verschicken ihre Befunde an Patienten oder Kollegen mit einer unverschlüsselten E-Mail oder per Fax, Datenschutz gleich null.

Das sind oft dieselben Ärzte, die bei der elektronischen Gesundheitskarte den fehlenden Datenschutz bemängeln, obwohl dieser auf höchstem Niveau gewährleistet ist. Das passt einfach nicht zusammen.

Ärzte Zeitung: Sie wollen eine Diskussion um die Sicherheitsarchitektur in Praxen?

Spahn: Genau. Mein Eindruck ist in einigen Debatten: Bei manchen sind die Vorbehalte gegen die elektronische Gesundheitskarte aus datenschutzrechtlichen Gründen vorgeschoben. Dahinter steckt teilweise auch die Angst vor Transparenz.

Ärzte Zeitung: Sie wollen doch Ärzten nicht unterstellen, dass sie absichtlich täuschen!?

Spahn: Nein, aber es mischt sich viel, viel Irrationalität in die Diskussionen.

Ärzte Zeitung: Außerdem sind gewisse Vorbehalte in Bezug auf den Datenschutz bei der E-Card doch ernst zu nehmen!

Spahn: Klar! Wenn einmal etwas schief läuft, werden wir wahrscheinlich auf lange Zeit einen enormen Vertrauensverlust haben. Daher muss die Umsetzung auf allerhöchstem Niveau erfolgen.

Aber dann erwarte ich eben auch, dass die elektronische Kommunikation der Ärzte untereinander und mit den Patienten über eine entsprechend gesicherte Infrastruktur geschieht. Da gibt es entsprechende Möglichkeiten, etwa die De-Mail.

Die müssen auch genutzt werden. Zumal Gesundheitsdaten schon heute nach dem Bundesdatenschutzgesetz besonders sensibel sind, da scheint mir eine unverschlüsselte Übermittlung nicht gesetzeskonform.

Ärzte Zeitung: Wollen Sie die Ärzte notfalls seitens der Politik dazu verpflichten?

Spahn: Wir müssen darüber reden, ob die Selbstverwaltung es alleine hinbekommt. Das wäre der Idealzustand. Die KBV hat ja hier ein Angebot entwickelt, dass nur nicht ausreichend genutzt wird.

Wenn es nicht klappt, sollten wir gesetzlich bestimmte Standards festlegen, zumal sich ja Ärztenetze zum Teil selbst schon solche Standards setzen. Dasselbe gilt im Übrigen für die Schnittstellenproblematik bei der Übermittlung der Daten zum Beispiel bei Selektivverträgen.

Ärzte Zeitung: Wollen Sie also gegebenenfalls auch bei der Frage der Schnittstellen politisch eingreifen?

Spahn: Falls sich die Selbstverwaltung auch hier nicht einig werden kann, sollten wir eine Zertifizierung der Software vorschreiben, sodass sie nur dann zum Einsatz kommen kann, wenn sie entsprechend schnittstellenkompatibel ist.

Es kann doch nicht sein, dass alle sektorübergreifende Versorgung und die Zusammenarbeit der Leistungserbringer stärken wollen, sie dann aber immer wieder an der IT scheitert.

Ärzte Zeitung: Wie lange wollen Sie warten, bis Sie gesetzlich eingreifen?

Spahn: Wir führen jetzt erst einmal Gespräche mit der Ärzteschaft und in der Koalition. Bestenfalls sollte noch in diesem Jahr eine Entscheidung getroffen werden. Übrigens: Ich wünsche mir von der Selbstverwaltung manches Mal mehr Eigeninitiative.

Ärzte Zeitung: Was meinen Sie damit?

Spahn: Ein Beispiel ist doch die Praxisgebühr. Ärzte beklagen den hohen Bürokratieaufwand. Die KBV könnten doch von sich aus einbringen, dass zumindest die Bestätigung, dass jemand bezahlt hat, auf der Gesundheitskarte vermerkt wird.

Das hätte Vorteile für den Arzt und Patienten und beendet die Zettelwirtschaft. Mir ist von einer solchen Initiative nichts bekannt.

Ärzte Zeitung: Aber die Möglichkeiten der elektronischen Gesundheitskarte wurden doch vonseiten der Politik sogar noch zurückgeschraubt. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat erst kürzlich selbst eingeräumt: "Wir wollten zu schnell zu viel."

Spahn: Das ist ja das Bedauerliche. Wir wollten tatsächlich von der Selbstverwaltung zu schnell zu viel. Sie ist offenbar nur in der Lage, die elektronische Gesundheitskarte in kleinen Schritten umzusetzen.

Die Blockierer bestimmen das Tempo, das ist sehr unbefriedigend. Das größte IT-Projekt Europas wird nun gegen dieses teilweise enorme Beharrungsvermögen umgesetzt.

Jetzt musste beim Rollout wieder die Politik eingreifen - und auf einmal geht es. Sobald die Karte flächendeckend verteilt ist, muss es zügig weitergehen.

Ärzte Zeitung: Welche Verbesserungen meinen Sie? Kann die elektronische Gesundheitskarte zum Beispiel auch bei der Arzneimittelsicherheit helfen?

Spahn: Ja, das ist ja eines der Ziele beim elektronischen Rezept. Dann sollte es möglich sein, dass auch auf mögliche Wechselwirkungen der Medikamente verwiesen wird. Das wäre aus meiner Sicht jedenfalls eine sinnvolle Ergänzung.

Ärzte Zeitung: Dennoch: Die Vorbehalte gegen die Gesundheitskarte sind bei einigen Ärzten aber auch bei Patienten groß. Wie wollen Sie das ändern?

Spahn: Patienten und Ärzte müssen bald einen deutlichen Mehrwert durch die elektronische Gesundheitskarte spüren. Sie sollte nicht mehr als Last oder Bedrohung wahrgenommen werden, sondern als Bereicherung und Entlastung: Informationen sind besser, umfassender und schneller verfügbar, Bürokratie und Papierkrams reduzieren sich.

Wenn ich dann noch sehe, was die Digitalisierung schon alles möglich macht, etwa bei den Gesundheits-Apps fürs Handy oder in der Telemedizin, dann sollten wir diese Chancen nutzen. Da ist noch viel Potenzial.

Das Interview führte Sunna Gieseke.

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