Anlagen-Kolumne

Privatanleger gucken bei Hochfrequenz in die Röhre

Der auf Computer gestützte, algorithmische Hochfrequenzhandel gilt zwar als extrem profitabel - aber nur für Profis. Privatanlegern drohen dagegen Verluste.

Von Gottfried Urban Veröffentlicht:

Die einen sehen in ihm eine Bedrohung für die Stabilität der Finanzmärkte und wittern die Gefahr von Kursmanipulationen. Die anderen verweisen auf die positiven Folgen für die Liquidität der Märkte.

Die Rede ist vom Hochgeschwindigkeitshandel, also dem computergestützten Handel auf Basis von Algorithmen, die in immer kürzeren Zeitintervallen vollautomatisch Kauf- und Verkaufsaufträge generieren.

Vor etwa fünf Jahren wurde mir erstmalig eine Anlagemöglichkeit eines US-Investmenthauses vorgestellt, das durch das Abgreifen bestimmter Wörter und Wortkombinationen aus Nachrichtendiensten und der aktuellen Orderlage alle fünf Minuten eine neue Handelsliste generierte.

Interessanterweise hatte der Fonds anfänglich gut funktioniert, der Intervall von fünf Minuten ist mittlerweile steinzeitlich. Die Zahlen sind beeindruckend: Schätzungsweise zwei Fünftel des gesamten Aktienhandels entfallen in Deutschland mittlerweile auf den Hochfrequenzhandel.

In anderen Ländern ist der Anteil sogar noch höher. Gehandelt wird mittlerweile im Millisekundenbereich. Unter den "Algo-Tradern" wie die neue Spezies von Börsenhändlern im Fachjargon genannt wird, ist ein Wettlauf um die Zeit entbrannt.

Die Handelssysteme prüfen zunächst die Preislimits der eingehenden Orders. Bei Orders mit dem gleichen Preislimit kommt es auf den Zeitpunkt an. Hier gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Weil die Systeme darauf programmiert sind, die jeweilige Orderlage in Sekundenbruchteilen zu analysieren, lohnt es sich, die Computer nah an den Börsenrechner zu stellen - um Orders blitzschnell abzuschicken oder eben auch wieder zu stornieren und sich dadurch in der Orderkette an den anderen Aufträgen vorbeizuschieben.

Neue Regulierung in Deutschland

Weil aber pro Trade nicht selten 100 Millionen Euro und mehr bewegt werden, gilt der Hochfrequenzhandel als extrem profitabel. Zumindest für die Algo-Trader. Denn wie immer an der Börse gilt: Des einen Gewinn, des anderen Verlust.

Das Nachsehen haben vor allem die Privatanleger. Die Orders der Privatanleger rutschen nach hinten. Richtig teuer kann es werden, wenn Programmierfehler oder Systemabstürze die Kurse einzelner Werte in die Knie zwingen oder durch die Decke schnellen lassen.

An der New Yorker Börse kam es seit Mitte 2010 zu knapp 100 Vorfällen dieser Art. Wenn Aktien aus unerfindlichen Gründen innerhalb weniger Minuten stark an Wert verlieren, werden Stop-Loss-Marken zur Falle.

Damit wächst durch den Hochgeschwindigkeitshandel das Risiko, dass Privatanleger ihre Anteile zu billig verkaufen und bei einer folgenden Kurserholung gar nicht mehr investiert sind.

Das erklärt, weshalb die Bundesregierung Ende September in einem nationalen Alleingang einen Gesetzesentwurf zur Regulierung des Hochfrequenzhandels vorgelegt hat. Die Internationalität des Börsengeschehens lässt nationale Regelungen wahrscheinlich relativ wirkungslos erscheinen.

Was bedeutet das für Privatanleger: Da Kursrückschläge aktuell eher Kaufgelegenheiten sind, könnten Anleger mit Abstauberlimiten von Kurseinbrüchen profitieren. Ob nun genau die Rücksetzer eintreten, ist nicht zu prognostizieren.

Grundsätzlich gilt: Wichtig ist nicht was in den nächsten Minuten oder Tagen passiert. Anleger sollten sich in der Position eines gereiften Strategen klare Vorstellungen über die Attraktivität von Anlageklassen und Märkten machen können.

Und dann Geldanlagen streuen, in verschiedene Regionen und auch Anlageklassen. Vor diesem Hintergrund des zunehmenden Einflusses des künstlich generierten Ordervolumens gilt mehr denn je, wer streut rutscht nicht aus.

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