Blick nach Österreich

Studien-Mentoren bringen es

Ein Programm an der Uni Innsbruck zeigt, wie wirksam es ist, Studierende mit persönlicher Ansprache für die Allgemeinmedizin zu begeistern.

Von Dr. Johanna Mathauer Veröffentlicht:
Eine persönliche Betreuung kann Studierende dazu motivieren, später Hausarzt zu werden.

Eine persönliche Betreuung kann Studierende dazu motivieren, später Hausarzt zu werden.

© Yuri Arcurs / Fotolia

INNSBRUCK. Die Allgemeinmedizin wird an der Medizinischen Universität Innsbruck im Vergleich zu anderen Fachrichtungen immer noch stiefmütterlich behandelt. Die Lehrveranstaltungen dazu beschränken sich auf eine Vorlesung mit Prüfung am Anfang des Studiums und ein vierwöchiges Modul im Rahmen des klinisch praktischen Jahres. Zwischen diesen beiden Lehrveranstaltungen klafft eine große Lücke.

Wer Lust auf Allgemeinmedizin bekommen hat, kann diese allerdings mit zwei Wahlfächern füllen. Zum Beispiel mit dem sogenannten "Allgemeinmedizin-Mentoring". Beim 52. DEGAM-Kongress in Innsbruck stellte Juliane Kager, selbst Studentin im klinisch praktischen Jahr an der dortigen Uni, das Programm und seine Ergebnisse vor.

Das Mentoring-Programm, das seit vier Jahren angeboten wird, setzt sich aus einem Einführungs- und Abschlussseminar und vier Terminen pro Semester zu je fünf Stunden zusammen.

Im Rahmen des Mentorings haben Studierende die Möglichkeit, für einen Vormittag lang den Alltag in einer allgemeinmedizinischen Praxis mitzuerleben und mitzuarbeiten. Sie werden vor Ort vom dort praktizierenden Arzt – ihrem Mentor – betreut. Erfreulich ist die Zunahme der Anmeldungen, die sich seit Beginn des Programms von 20 auf mittlerweile 80 Anmeldungen pro Semester erhöht hat. Besonders im Hinblick auf das Nachwuchsproblem, dem die Allgemeinmedizin gegenübersteht.

Ein großer Motivationsschub

"Das war das erste Mal, dass ich gefragt wurde, was ich an der Medizin spannend finde und was meine Pläne sind", berichtet eine Teilnehmerin. "Ich konnte Fragen stellen, ich konnte mich in die Rolle des Arztes einfühlen und habe erlebt, dass es ein wunderbarer Beruf ist. Die Gewissenhaftigkeit und Kompetenz des Arztes haben mich beeindruckt und ebenso seine Art zu kommunizieren." Insgesamt, so ihr Resümee, habe ihr das Mentoring einen großen Motivationsschub gegeben.

Die Teilnehmer füllten vor und nach dem Mentoring Fragebögen aus, die anschließend ausgewertet wurden. Als Motivation, an dem Wahlfach teilzunehmen, gab ein Großteil der Studierenden das Bedürfnis nach praktischer Erfahrung an, ein kleiner Teil Interesse an der Allgemeinmedizin, allerdings niemand den Wunsch nach einem Mentor, zu dem eine längerfristige Beziehung aufgebaut werden kann.

Anspruchsvoller und komplexer

Da das Wahlfach für alle Studierende von Beginn des Studiums an zugänglich ist, wurde hier auch nach dem Zeitpunkt der Teilnahme ausgewertet. Ältere Semester wussten konkreter, dass sie Allgemeinmediziner werden wollten, und fanden das Fach grundsätzlich anspruchsvoller und komplexer. Jüngere Semester nahmen eher wegen der praktischen Erfahrung am Mentoring teil.

Sowohl vor als auch nach dem Mentoring sagten circa 23 Prozent der Teilnehmer, später als Allgemeinmediziner tätig sein zu wollen. Es war also kein signifikanter Effekt zu erkennen, dass das Programm das Interesse am Fach gesteigert hätte. Im Vergleich zu einer Umfrage an der Medizinischen Universität Innsbruck im Jahr 2017, bei der etwa 8 Prozent aller Studierenden den Berufswunsch Allgemeinmediziner angaben, zeigt sich aber dennoch, dass das Interesse bei den Programm-Teilnehmern überdurchschnittlich hoch war.

Ein wichtiges Qualitätsmerkmal des Moduls ist die Beziehung der Studierenden zu ihren Mentoren, mit der 82 Prozent der Teilnehmer sehr zufrieden waren. Dennoch wurde von vielen angegeben, dass sie sich einen persönlicheren Zugang, mehr Zeit für individuelle Fragen und Erklärungen gewünscht hätten, damit der Arzt näher auf die Bedürfnisse der Studierenden eingehen kann. Auch blieb oft zu wenig Raum im Praxisalltag, selbst mit den Patienten zu arbeiten.Juliane Kager zog Vergleich zu einem ähnlichen Mentoringprogramm mit Prä- und Postanalyse in Leipzig.

Dort sei herausgekommen, dass Studierende nach der Teilnahme eher den Berufswunsch Allgemeinmediziner hatten als vorher. Warum war das in Innsbruck dann nicht der Fall? Schaue man sich vergleichbare Programme und Studien weltweit an, zeige sich, dass einzelne Module nur selten einen signifikanten Effekt zeigen. Es bedarf hier viel mehr einer längeren, persönlichen Betreuung während des ganzen Studiums.

Das wichtigste Thema

Herbert Bachler, Vorsitzender der Tiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin sagt dazu: "Für mich ist das Thema Mentoring das wichtigste Thema bei diesem Kongress. Wir von der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin glauben, dass man in diesem Bereich unbedingt optimieren muss, um möglichst viele in der Allgemeinmedizin-Schiene zu halten. Es ist wichtig, diejenigen zu fördern, die schon vor dem Studium den Wunsch hatten, Allgemeinmediziner zu werden und auch das Interesse bei anderen Studierenden zu wecken." Dafür sei es einerseits essenziell, Mentoren auszubilden, aber auch, eine tragfähige Finanzierung dafür aufzustellen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kommentar: Mit statt über Studis reden!

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