Simulanten fordern Nachwuchsärzte heraus

Die Studienpraxis an der Universität Münster lebt von Simulanten. Mimen simulieren schmerzgeplagte Patienten und bereiten Medizinstudenten auf den rauen Klinik- und Praxisalltag vor. Die Krankengeschichten kommen aus dem richtigen Leben. Das Münsteraner Modell stößt auf positive Resonanz.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Provokation erwünscht: Schauspieler mimen Patienten in der Studienpraxis der Universität Münster.

Provokation erwünscht: Schauspieler mimen Patienten in der Studienpraxis der Universität Münster.

© Foto: Edelman

Die ältere Dame hat Schmerzen - seit Tagen tut ihr der Rücken weh. Auch der 30-jährige Mann klagt über Probleme mit dem Rücken. Im Sprechzimmer muss der junge Arzt herausfinden, ob nur Verspannungen die Ursache für die Schmerzen sind oder ob sich etwas Ernsteres dahinter verbirgt. Das Wartezimmer ist voll. Weitere zehn Patienten warten ungeduldig darauf, aufgerufen zu werden. Das setzt den jungen Mediziner zusätzlich unter Druck. Die Situation sieht echt aus. Viele Niedergelassene fühlen sich bei diesem Anblick an ihre Praxis erinnert.

Die Studienpraxis ergänzt das Studienhospital

Doch es sind Schauspieler, die Schmerzen simulieren und Medizinstudenten, die in der Studienpraxis der Medizinischen Fakultät Münster im Kurs Allgemeinmedizin den Echtfall nachstellen. Mit der Studienpraxis erweiterte die Universität Münster im November 2008 ihr Studienhospital (wir berichteten).

Studierende sollen in real wirkender Umgebung üben, was später ihre tägliche Arbeit ist - Fragen stellen, auf Beschwerden der Patienten eingehen, Mut machen.

In vier Behandlungszimmern, einer Rezeption und einem Wartezimmer absolvieren die angehenden Mediziner einen großen Teil ihrer praktischen Ausbildung im Fachbereich Allgemeinmedizin. Professoren beobachten den Nachwuchs hinter Spiegelglas und geben nach der Behandlung Rückmeldung.

2010 soll ein OP-Trakt das Angebot ergänzen

Das Konzept ist erfolgreich - sowohl bei Studenten als auch bei den Ärzten kommt der Kurs an. "Die Veranstaltung wird sehr gut angenommen", sagt Dr. Hendrik Friederichs, Leiter des Studienhospitals. "Inzwischen fragen auch Kollegen aus anderen Fachrichtungen, ob sie ihre Seminare in der Praxis durchführen dürfen." Deswegen steht ein weiteres Projekt bevor. Für 2010 ist ein dritter Abschnitt des Studienhospitals geplant - der Bau eines OP-Traktes.

Professoren verfolgen das Visiten-Spektakel hinter Spiegelglas.

Während der Lehrveranstaltungen in der Praxis schlüpft jeder Student in die Rolle des Hausarztes. Dabei muss er zwei Patienten nacheinander untersuchen. Das erfordert Konzentration, denn dazu gehört auch, sich an die Beschwerden der Kranken vom letzten Besuch zu erinnern und deren Namen zu behalten. "Damit ist die Situation für die Studierenden viel authentischer", sagt Friederichs. "Im Hörsaal bekommen sie zwar auch mit, dass im Wartezimmer viele Kranke sitzen, die ungeduldig sind, aber es bedeutet etwas ganz anderes, ihnen auch gegenüber zu stehen." Ein Theatertherapeut bereitet die Schauspieler auf ihre Rollen vor. Die Krankheiten, die sie darstellen, sind fast immer Fälle aus dem wirklichen Leben. "So wirkt der Patient glaubwürdig" , sagt Friederichs.

Medizinstudent Niklas Jasper schätzt die neue Art des Lernens. Der 23-Jährige hat im letzten Semester den Allgemeinmedizinkurs absolviert und betreut jetzt als Tutor die Jüngeren. "Die Arbeit in der Studienpraxis ist ganz anders als im Studienhospital", sagt er. "Hier wollen Patienten gleich mit einer Lösung ihres Problems nach Hause gehen." Das heißt, der Studierende muss sofort eine Diagnose treffen und entscheiden, welche Behandlungsschritte anstehen.

Häufigstes Manko ist die Ungeduld mit Patienten

Viel mehr noch als in der Klinik geht es um das Erlernen ärztlicher Basisfähigkeiten. Ein häufiger Fehler der angehenden Ärzte ist, dass sie sich für das Gespräch mit ihren Patienten nicht genug Zeit lassen, sondern sie gleich unterbrechen und drauf losreden. "Wir lernen hier, was in der Hausarztpraxis ganz besonders wichtig ist", sagt Jasper. "Zuhören, beruhigen und auf den Patienten eingehen."

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