Frankfurter Uniklinik setzt auf Op-Checklisten

Skalpell nicht desinfiziert? Eine Schere im Bauch vergessen? Standardisierte Prüflisten und eine Op-Monitoranlage sollen am Klinikum der Frankfurter Goethe-Universität künftig die Patientensicherheit nachhaltig gewährleisten.

Von Antonia von Alten Veröffentlicht:
Der Blick auf die Checkliste ist mittlerweile Standard.

Der Blick auf die Checkliste ist mittlerweile Standard.

© Uniklinik Frankfurt

FRANKFURT/MAIN. Fehler bei Operationen will das Universitätsklinikum Frankfurt mithilfe von perioperativen Checklisten reduzieren. Das neue System stellte der Chef der Anästhesiologie, Professor Kai Zacharowski jetzt in Frankfurt der Presse vor. Geprüft werde beispielsweise die Identität des Patienten, mögliche Allergien und die Art des Eingriffs, so Zacharowski. Auf diese Weise sollen unter anderem Verwechslungen von Patienten oder das Entfernen eines falschen Organs vermieden werden.

Grundlage ist eine Checkliste der WHO

Viele Teilkliniken des Frankfurter Universitätsklinikums nutzen schon seit Jahren spezielle individualisierte Prüflisten, die sich an die "WHO Surgical Safety Checklist" anlehnen. Vorreiter waren in einer Pilotphase seit 2009 die Klinik für Allgemein- und Transplantationschirurgie und die Klinik für Neurochirurgie.

Jetzt wurden flächendeckend in allen operativen Fächern des Klinikums einheitliche "perioperative Checklisten" eingeführt, die in der immer komplexer werdenden Medizin dabei helfen sollen, organisationstechnische Fehler zu vermeiden. Damit ist das Klinikum der Johann Wolfgang von Goethe-Universität nach eigenen Angaben neben der Medizinischen Hochschule Hannover eines der ersten Universitätsklinika in Deutschland, das diese Methode umfassend nutzt.

Der private Klinikkonzern Helios hat schon vor mehr als einem Jahr in allen 62 Helios-Kliniken ein Sicherheitssystem - bestehend aus drei Checklisten, die sich ebenfalls an der WHO-Liste orientieren - eingeführt.

"Checklisten sind etwa in der Luft- und Raumfahrt gang und gäbe. Sie sollen dabei unterstützen, in hochkomplexen Prozessen mit vielen Beteiligten und mit weitentwickelter technischer Ausrüstung menschliche Fehler zu vermeiden." so Zacharowski. Die perioperative Checkliste stellt zunächst triviale Fragen.

In einem so genannten Team-time-out füllen alle Beteiligten - operierende Ärzte, Anästhesisten, OP-Schwestern und Assistenten - den Prüfbogen aus: Hat die Pflege den Patienten präoperativ vorbereitet? Sind die korrekten Befunde und Blutpräparate vorhanden? Ist die Sterilität gewährleistet? Ist der Patient einwandfrei identifiziert? Welche außerplanmäßigen Ereignisse könnten eintreten?

Etwa 40 Fragen müssen beantwortet werden

Vor der Operation, vor der Narkose, vor dem ersten Schnitt und vor dem Verlassen des OP sind etwa 40 Fragen systematisch zu beantworten. Die Prüfliste wird schließlich von der Stationspflege und dem Stationsarzt, der OP-Pflege, den Operateuren und dem Anästhesisten unterzeichnet.

Das Abarbeiten der perioperativen Checkliste könne das Risiko eines Patienten, eine schwere Komplikation nach der Operation zu erleiden, um 38 Prozent reduzieren, sagte Zacharowski unter Verweis auf eine große multizentrische Studie im New England Journal of Medicine aus dem Jahr 2009 (NEJM 2009; 360(5): 491). Die Rate von postoperativen Todesfällen konnte sogar um 48 Prozent verringert werden.

Alle Kabel laufen in ein portables Patientenmodul

Bei jedem Patienten werden in der Uniklinik Frankfurt während einer Operation Herz- und Kreislaufwerte kontinuierlich überwacht, so Zacharowski. Früher musste man die Überwachungskabel an einen neuen Monitor anschließen, wenn der Patient den OP verließ. Die vorher erhobenen Daten waren verloren.

Seit wenigen Jahren entfällt das ständige Wechseln der Überwachungskabel. Alle Kabel laufen in ein portables Patientenmodul, in dem die vollständigen Aufzeichnungen der Vitalzeichen beim Patienten verbleiben, solange er überwacht wird. Das handliche Modul kann mit dem Patienten transportiert werden.

Beim Wiederanschluss an einen Monitor anderswo - in der Notaufnahme, in OP, Aufwachraum oder Intensivstation - kann das Patientendatenmodul die Krankenakte mit den vor und während der Verlegung erfassten Daten auf den neuesten Stand bringen.So entstünden keine gefährlichen Datenlücken.

Üblicherweise werden Patientenwerte nur direkt am individuellen Überwachungsmonitor dargestellt. Anders in der Uniklinik Frankfurt: Sie verfügt über eine Netzwerkanbindung aller Überwachungsmonitore. Im Koordinationsstützpunkt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie im Zentral-OP werden auf drei LCD-Großbildschirmen gleichzeitig die Überwachungsdaten von 24 Anästhesiearbeitsplätzen dargestellt, darunter die aller Operations-Säle und des Schockraums.

Dies ermöglicht, dass jederzeit ein erfahrener Oberarzt alle OP-Säle im Blick hat, zusätzlich zum Anästhesisten direkt am Patienten. Etwaige Komplikationen und kritische Alarme können so noch früher erkannt werden. Für den Notfall verfügt zusätzich jeder Mitarbeiter der Klinik über ein Mobiltelefon.

Perioperative Checkliste der Universitätsklinik Frankfurt/Main

Auszüge aus der Prüfliste:

  • präoperativ (Stationspflege): Patientenarmband, Bettencheck, Pflegevorbereitung
  • präoperativ (Stationsarzt): Patient aufgeklärt, präop. Diagnostik komplett, Blutgruppe bestimmt
  • vor der Narkose (Anästhesist):
  • Identität des Patienten, Körperseite markiert, Allergie
  • vor der Hautinzision (Operateur):
  • Chirurg, Anästhesist und OP-Pflege bestätigen verbal Patientenidentiät, Körperseite und Prozedur
  • vor Verlassen des OP (Operateur)
  • OP-Pflege bestätigt verbal mit dem Team die Vollständigkeit von Instrumenten, Nadeln und Tüchern
  • vor Verlassen des OP (Anästhesist):
  • Chirurg und Anästhesist prüfen die Eckpunkte des postoperativen Patientenmanagements

Lesen Sie dazu auch: Sichere Anästhesie - dennoch mehr Tote Gute Erfahrungen mit Mehrfach-Check

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