Interview

"Nachrichten haben sich überschlagen"

Karen Matiszick leitet die Unternehmenskommunikation des Klinikverbunds Gesundheit Nord. Aus dem Frühchen- Skandal hat sie gelernt, gelassen zu bleiben.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Infektionen auf Frühchenstationen gab und gibt es an vielen Kliniken. Aber Bremen scheint ein Synonym geworden zu sein für mangelnde Hygiene, unklare Zuständigkeiten und tote Frühchen. Warum?

Karen Matiszick, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Gesundheit Nord gGmbH.

Karen Matiszick, Leiterin der Unternehmenskommunikation der Gesundheit Nord gGmbH.

© privat

Karen Matiszick: Da kam viel zusammen als wir 2011/2012 den Klebsiellen-Ausbruch hatten: Als Unternehmen waren und sind wir schon längere Zeit auf dem Sanierungsweg.

Das hat auch zu Unzufriedenheit und Unsicherheit unter den Mitarbeitern geführt. Zudem ist die Situation der GeNo auch immer eine politische Sache, weil wir ja ein kommunales Unternehmen sind.

Ärzte Zeitung: Die Presse berichtet eben - was ist das Problem?

Karen Matiszick: Wir wurden teilweise zum Gejagten. Wir haben uns immer um Vollständigkeit der Informationen und um Transparenz bemüht.

Aber was ich vorher nicht gedacht hätte: Es entsteht in den Medien zum Teil eine solche Hysterie darum, wer die ersten Schlagzeilen liefern kann, dass wir in der Pressestelle einfach überrannt wurden und ständig reagieren mussten.

Damals war das für mich die erste große Krise, die ich erlebt habe. Das hat mich schon beeindruckt. Das war zum Teil hysterisch, würde ich heute sagen. Die Berichterstattung bewegte sich zum Teil im Reich der Spekulationen.

Ärzte Zeitung: Fühlten Sie sich über den Tisch gezogen?

Karen Matiszick: Nein. Es gab viele und zum Teil sehr faire Kontakte zu Journalisten. Insgesamt war das persönlich ein sehr angenehmer Umgang. Aber es gab eben auch immer wieder Versuche von Einzelnen, die neuere, die größere Geschichte zu haben.

 Ich habe zum Beispiel immer wieder versucht zu erklären, wie es in einer Frühgeborenen Intensivstation zugeht. Aber viele Journalisten glauben, Krankenhäuser müssten grundsätzlich keimfrei sein. Manchmal hatte ich dann das Gefühl, die Geschichte war schon fertig, egal, was ich dazu sagen würde.

Ärzte Zeitung: Wie haben die Mitarbeiter diese Zeit erlebt?

Karen Matiszick: Sie waren natürlich sehr mitgenommen. Wir haben versucht, so gut es ging, immer per Newsletter auch nach innen zu kommunizieren.

Das ist auch auf sehr gute Resonanz gestoßen. Aber auch hier kamen wir zum Teil nicht nach, weil die Nachrichten sich überschlugen.

Ärzte Zeitung: Krankenhäuser werben gerne mit pausbäckigen, gesunden Kindern auf ihren Homepages. Wenn dann die Realität einmal vollkommen anders ist, kann es doch nicht verwundern, dass das Pendel der öffentlichen Wahrnehmung in die andere Richtung ausschlägt.

Karen Matiszick:Wir arbeiten gar nicht so sehr mit Klischees. Ich will es aber andererseits auch nicht verharmlosen: Wenn Kinder sterben, besonders Frühchen, dann geht einem das sehr nahe.

Das ist ja nicht banal, sondern tragisch und schrecklich für Kinder und ihre Eltern. Und jedes Elternpaar hat viele Geschichten gehört von Frühgeborenen, die es schaffen und später ganz normale Kinder werden.

Das wünschen sich die Eltern natürlich und erwarten das dann auch. Und da müssen wir das tragische Geschehnis einordnen und klar machen: Was ist schicksalhaft? Was ist Versäumnis? Das Thema selber hat von sich aus eine große Emotionalität.

Ärzte Zeitung: Was lernen Sie aus dem "Keim-Skandal"?

Karen Matiszick: Mehr Gelassenheit. Die Presse macht ihren Job. Wir machen unseren Job, und wir wollen unsere Rolle offen, glaubwürdig und vor allem mit Gelassenheit ausfüllen.

Wenn ein Journalist unbedingt mehr von mir hören will, als die Fakten hergeben, wiederhole ich die Fakten gerne drei Mal. Oder vier Mal.

Lesen Sie dazu auch: Kampf gegen Keime: Lehren aus einem Skandal

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