Deformierte Hände

Klinik setzt auf externe Expertise

Die Häufung von Fehlbildungen in Gelsenkirchen ruft Politiker auf den Plan. Könnte ein Melderegister helfen?

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GELSENKIRCHEN. Nach einer ungewöhnlichen Häufung von Fehlbildungen bei Neugeborenen an einer Gelsenkirchener Klinik will sich Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerium einen genaueren Überblick verschaffen. Das Ministerium werde alle Klinken in dem Bundesland abfragen, ob dort ähnliche Fehlbildungen aufgefallen seien, sagte eine Sprecherin der Düsseldorfer Behörde am Samstag auf Anfrage. Man nehme die Berichte über solche Fälle „sehr ernst“. „Darüber hinaus nehmen wir Kontakt mit Ärztekammern, dem Bund und anderen Bundesländern auf, um möglichen Ursachen mit aller Sorgfalt nachzugehen.“

Ob ein Melderegister der richtige Weg sei, gelte es gemeinsam zu prüfen, sagte die Sprecherin des Landesministeriums, das vom CDU-Politiker Karl-Josef Laumann (CDU) geführt wird. Das Sankt Marien-Hospital Buer in Gelsenkirchen hat bislang keine Erklärung dafür, dass in dem Haus zwischen Juni und Anfang September drei Babys mit Handdeformitäten auf die Welt gekommen sind.

Erstmals Missbildungs-Häufung seit vielen Jahren

Alle drei Babys sind mit einer isolierten einseitigen Hand-Fehlbildung geboren worden. Solche Fehlbildungen habe die Klinik viele Jahre nicht gesehen, heißt es in einer Mitteilung. Die Ministeriumssprecherin schließt eine zufällige Häufung nicht aus. „Wir finden jedoch den kurzen Zeitraum, in dem wir jetzt diese drei Fälle sehen, auffällig.“

Ethnische, kulturelle oder soziale Gemeinsamkeiten der Familien gibt es offenbar nicht. Alle wohnen im lokalen Umfeld. Die Klinik hat mit der Embryotoxikologie der Berliner Charité Kontakt aufgenommen und will das Thema im lokalen Qualitätszirkel der Kinder- und Jugendärzte ansprechen.

Unterdessen äußerte sich das Bundesgesundheitsministerium zurückhaltend. Zu den konkreten Fällen lägen keine Erkenntnisse vor, so ein Ministeriumssprecher am Samstag in Berlin. „Wenn es eine auffällige Häufung von Fehlbildungen bei Neugeborenen geben sollte, muss das so schnell wie möglich geklärt werden“.

Studie zur Aufklärung der Missbildungen gefordert

Das Ministerium begrüße, dass das betreffende Krankenhaus Kontakt zur Berliner Charité aufgenommen habe. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach rief Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU in der „Bild“-Zeitung dazu auf, „dringend eine Studie in Auftrag zu geben, die systematisch die Daten der Kliniken und die Häufigkeit der Fälle erfasst“. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte, Informationen zu Fehlbildungen beinhalteten insbesondere die Perinatalstatistik sowie die Krankenhausdiagnosestatistik.

Ein nationales Fehlbildungsregister existiert nicht. Das Bundesministerium teilte mit, laut einer Bundesauswertung zur Perinatalstatistik des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen seien 2017 in Deutschland 6884 Kinder mit Fehlbildungen in Krankenhäusern geboren worden. Damit seien etwa 0,89 Prozent der Neugeborenen betroffen gewesen.

Die Perinatalstatistik verzeichnet nach Angaben des Ministeriums die Zahl der mit Fehlbildungen geborenen Kinder, sie beinhaltet jedoch keine Informationen über die Art der Fehlbildung. (iss/dpa)

Wir haben diesen Beitrag aktualisiert am 16.9.2019 um 9 Uhr

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