"Silberne Wirtschaft"

Wer ist für Gesundheitswirtschaft zuständig?

Die Bedeutung der Gesundheitswirtschaft in Deutschland ist unstrittig. Dennoch tun sich die Beteiligten, allen voran die Politik, mit der Entwicklung strategischer Rahmenbedingungen schwer. Dies liegt vor allem an der Heterogenität des Marktsegments.

Von Michael Kuderna Veröffentlicht:
Die Silberne Wirtschaft mit den Börsensymbolen Bär und Bulle: Die wachsende Anzahl von grauhaarigen Senioren liefert der Gesundheitswirtschaft steigende Umsätze.

Die Silberne Wirtschaft mit den Börsensymbolen Bär und Bulle: Die wachsende Anzahl von grauhaarigen Senioren liefert der Gesundheitswirtschaft steigende Umsätze.

© fotomek / stock.adobe.com

Die Unsicherheit zeigt sich schon bei der Definition. Das Bundesgesundheitsministerium und Studien des Wirtschaftsministeriums verwenden die Bezeichnung "Branche" – ein Begriff, der nach Auffassung von Uwe Borchers, Geschäftsführer des Zentrums für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen-Lippe (ZIG), nicht zutrifft. Borchers spricht lieber von einem "Wirtschaftsbereich", Wikipedia vom "Sammelbegriff für alle Wirtschaftszweige, die etwas mit Gesundheit zu tun haben".

Mag diese Frage noch so akademisch erscheinen, sie sagt etwas über die Unsicherheit aus, wie man die Gesundheitswirtschaft in ihrer Komplexität am besten fördern kann.

Bei dem Gesundheitskongress "Salut!" räumte Stefan Rauber, Abteilungsleiter im saarländischen Wirtschaftsministerium, offen ein, dass sein Haus erst jetzt eine Bestandsaufnahme in Auftrag gegeben, mit der Erarbeitung eines strategischen Ordnungsrahmens begonnen und auch erstmals bescheidene Etatmittel vorgesehen habe.

Viel Entwicklungspotenzial

Strukturpolitik setzt nach dem Eindruck von Borchers oft dort an, wo Krisen zu überwinden sind. Im Fall der Gesundheitswirtschaft stünden aber die Chancen im Vordergrund. Tatsächlich stecken in ihr sowohl Stabilisierungs- als auch Entwicklungspotenziale. Vor allem ihre Kernbereiche sind wenig konjunkturabhängig.

Die Beschäftigungszahlen liegen weit höher als in traditionellen Industriebranchen, das Wachstum ist überdurchschnittlich und auch die Außenhandelsbilanz fällt positiv aus. Zudem stärkt die Gesundheitswirtschaft andere Bereiche allein schon durch die durchgehende Notwendigkeit, die Gesundheit des Personals zu bewahren.

Die "silberne Wirtschaft"

Ein noch relativ junger Teilbereich, der Überschneidungen in andere Bereiche aufweist und selbst wieder nur als Querschnittsaufgabe begriffen werden kann, ist die Seniorenwirtschaft.

Wenn sie in den letzten Jahren immer häufiger als "Silver Economy" daherkommt, mag das euphemistisch sein, transportiert aber durchaus zu Recht auch Anklänge an ein Edelmetall: Allein die demografische Entwicklung, der Wunsch nach Lebensqualität bis zum Tod und die Notwendigkeit, in der Fläche häusliche Pflege zu ermöglichen und zu erleichtern, sind Garanten für einen dynamischen und wachsenden Zukunftsmarkt. Dies gilt gerade auch für E-Health-Lösungen und andere technische Innovationen.

Auch wenn es also nach einem Selbstläufer aussieht: Dass es in allen Wirtschaftsbereichen regulatorische Maßnahmen braucht, um Investitionen sicher und Projekte erfolgreich zu machen, ist unumstritten. Ebenso ist ein Mindestmaß an Planung, Koordination und Förderung nötig, um rechtzeitig effektiv und passgenau neue Wege einzuschlagen.

Schaut man an diesem Punkt wieder zur Rolle der Politik, ist man schnell erneut bei Schwierigkeiten, die aus den vielen Facetten der Gesundheitswirtschaft resultieren. "Früher ist man zum Gesundheitsminister gegangen, dann zum Wirtschaftsminister, inzwischen geht man zum Gesundheits-, Wirtschafts- und wegen der Datensicherheit auch zum Innenminister", schildert der Unternehmer und Consulter Alois Steidel ein Problem, das er mit vielen anderen Akteuren teilt.

Die Bündelung von Kompetenzen und Ansprechpartnern würde vieles erleichtern und beschleunigen. In Nordrhein-Westfalen hat man immerhin schon vor einiger Zeit versucht, dem Problem mit einer interministeriellen Staatssekretärsrunde beizukommen. "Es ist alles noch etwas diffus", fasst eine Wirtschaftsexpertin die Gefühlslage vieler Akteure zusammen. Wie kann man trotzdem den zweifellos fühlbaren vorhandenen Schwung mitnehmen und sich vorwärts bewegen?

Die Antworten sind ähnlich wie in anderen "diffusen" Situationen: Es muss Raum für Experimente bis hin zu regionalen Testmärkten geschaffen werden und die Akteure brauchen funktionierende Netzwerke zum Austausch von Erfahrungen. Das Rad musste man erfinden, aber nicht zweimal.

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