GASTBEITRAG

Versteigerung ärztlicher Leistungen ist rechtlich unzulässig

Die Versteigerung freiberuflicher Leistungen im Internet ist ein heißes Eisen. Bei Zahnärzten gibt es schon seit einiger Zeit - höchst umstrittene - derartige Angebote. Nun gibt es einen aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, nach dem auch die Versteigerung von anwaltlichen Leistungen nicht berufswidrig ist. Inwieweit dies tatsächlich auf ärztliche Leistungen übertragbar ist, ist aber eine ganz andere Frage.

Von Frank A. Stebner Veröffentlicht:
Eine Auktion ärztlicher Angebote wie der Akupunktur ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

Eine Auktion ärztlicher Angebote wie der Akupunktur ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

© Foto: DAK / Wigger / Yuriy Panyukovwww.fotolia.de, Montage: ill

Am 19. Februar dieses Jahres ließ ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die traditionell eher konservative Anwaltschaft aufhorchen: Die Versteigerung anwaltlicher Dienstleistungen in dem Internetauktionshaus eBay sei nicht berufswidrig. Können jetzt auch ärztliche Behandlungen via Internet versteigert werden?

Seinen Ursprung nahm die Entscheidung in den eBay-Angeboten für zwei jeweils einstündige Beratungen im Familienrecht oder Erbrecht (unterstützt durch ein Babyfoto) und einer fünfstündigen Beratung mit Startgeboten von 1, 75 und 500 Euro. Die Karlsruher Richter hatten gegen die Auktionen nichts einzuwenden und bestätigten die in den letzten Jahren immer weiter fortschreitende Liberalisierung der Werbevorschriften für freie Berufe.

Messlatte ist das Verbot der irreführenden Werbung

Es gilt als Messlatte neben dem Berufsrecht wie für jeden Kaufmann auch das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb mit seinem Verbot der irreführenden Werbung. Die Richter hielten die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen nicht für unsachlich und sahen keine Beeinträchtigung schützenswerter Gemeinwohlbelange.

Bei Ärzten liegt die Sache dennoch etwas anders - und das hat Gründe, die unter anderem in der ärztlichen Abrechnung liegen. Vorstellbar wäre es ja zum Beispiel durchaus, dass Selbstzahlerleistungen wie die Eigenbluttherapie bei eBay unter den Hammer kommen. Kassenleistungen, die in der Regel nicht mit Patienten abgerechnet werden, kommen von vornherein nicht in Frage. Die Versteigerung einer ärztlichen Behandlung im Internet ist derzeit aber immer noch als rechtswidrig einzustufen. Denn im Unterschied zu Anwälten sind Ärzte verpflichtet, eine gebührenordnungskonforme Abrechnung zu erbringen.

Auch die Argumentation, die GOÄ-Abrechnung könne ja nach der Behandlung erstellt werden, greift nicht. Bei einer Versteigerung bestimmt der Ersteigerer - und nicht die amtliche GOÄ - den Preis für die ärztliche Leistung. Aus dem Verstoß gegen die GOÄ folgt zwingend ein Verstoß gegen das allgemeine Wettbewerbsrecht und damit die Gefahr einer Abmahnung samt berufsrechtlichen Konsequenzen.

Zu beachten ist auch das unkontrollierbare Haftungsrisiko für eine solche Versteigerung: Da ein Behandlungsvertrag über eBay bereits mit der Abgabe des Höchstgebots durch den Patienten zustande kommt, hat der Patient gegen den Arzt automatisch einen Anspruch auf die versteigerte Behandlung, ohne dass dieser den Patienten jemals persönlich hätte sehen und so feststellen können, ob überhaupt ein Behandlungsbedarf besteht. Es ist damit noch nicht einmal sicher, ob die Behandlung medizinisch notwendig oder wenigstens vertretbar ist.

Es sind demnach Fallkonstellationen denkbar, in denen ein Arzt, wenn er den Patienten erstmals sieht, feststellt, dass die ersteigerte Behandlung sogar kontraindiziert ist und somit gar nicht gemacht werden darf. Der ersteigerte Anspruch des Patienten auf Behandlung ist daher wegen eines Hindernisses in der Person des Patienten unmöglich und geht damit automatisch unter. Die Behandlung könnte darüber hinaus eine rechtswidrige Körperverletzung sein, sodass dann der gesamte Behandlungsvertrag nichtig wäre.

Anspruch auf die ersteigerte Behandlung besteht nicht

Die Versteigerung einer Arztbehandlung im Internet ist auch als irreführende Werbung nach dem Wettbewerbsrecht einzustufen, denn bei der Versteigerung wird der Eindruck erweckt, es bestehe in jedem Fall ein Anspruch auf die ersteigerte Behandlung.

Die Frage, ob er überhaupt einen durchsetzbaren Anspruch auf Behandlung erwirbt, ist für den Patienten aber von entscheidender Bedeutung. Auch ein aufklärender Hinweis, dass der Höchstbietende keinen automatischen Rechtsanspruch auf Umsetzung der ersteigerten Behandlung erwirbt, wird nicht ausreichen, da allein durch den niedrigen Startpreis eine unsachliche Beeinflussung des Patienten vorliegt - dieser wird einem potenziellen Kaufzwang ausgesetzt. Durch diesen "Zwang" aber wird die Rationalität der Verbraucherentscheidung ausgeschaltet, und der potenzielle Patient berücksichtigt nicht mehr, ob er die ärztliche Behandlung überhaupt benötigt.

Gebührenordnung untersagt vorherige Festpreise

Nach Paragraf 5 Absatz 2 der Gebührenordnung müssen Ärzte je nach Schwierigkeit der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung das Honorar individuell im Einzelfall bestimmen. Der Auftrag der GOÄ ist klar: Festpreise vor der Behandlung sollen nicht festgelegt werden; für die Honorarhöhe kommt es auf den Behandlungsverlauf an. Die Versteigerung ärztlicher Dienstleistungen mit Festpreisen vor der Behandlung verstößt daher grundsätzlich gegen die Bestimmungen der GOÄ. Auch unter diesem Aspekt ist die Versteigerung als rechtswidrig einzustufen.

Dr. Frank A. Stebner ist Fachanwalt für Medizinrecht in Salzgitter.

So steht es in der GOÄ

Auszug aus Paragraf 5, Absatz 2 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ):

Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (...)

In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden.

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