Gericht: Keine Implantate für Contergan-Opfer

KÖLN (iss). Contergangeschädigte haben keinen Anspruch auf Versorgung mit Implantaten durch die gesetzliche Krankenversicherung, auch wenn sie aufgrund der Behinderung an den Händen konventionellen Zahnersatz nicht handhaben können. Das hat das Sozialgericht Aachen in einem nicht rechtskräftigen Urteil entschieden.

Veröffentlicht:

Ein Mann hatte geklagt, weil seine Kasse die Kostenübernahme für Implantate abgelehnt hatte, weil dafür keine zahnmedizinischen Gründe vorlagen.

Zwar erkannten die Richter die besonderen durch die Conterganschädigung hervorgerufenen Probleme des Patienten an. Sie zu lösen sei aber nicht Aufgabe der beitragsfinanzierten GKV, sondern unter Umständen des Staates.

Auch andere Versichertengruppen wie Demenzkranke oder Armamputierte könnten herausnehmbaren Zahnersatz nicht selbst handhaben, so das Gericht.

"Würde man behinderten Menschen wie dem Kläger allein wegen der Conterganschädigung den Implantatversorgungsanspruch einräumen, wäre dies gegenüber den anderen Versicherten eine mit dem Gleichheitsgrundsatz kaum in Einklang zu bringende Bevorzugung."

Az.: S 13 KR 235/10

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Uwe Schneider 20.03.201120:53 Uhr

Wiederherstellung der Gleichheit

Die richtige Lösung wäre wohl in der Tat, wie von Dr. Schätzler schon angedeutet, für alle vergleichbar schwer Behinderten einen Sonderbedarf in der GKV im Hinblick auf Implantate anzuerkennen, um die Gleichheit gegenüber Nicht-Behinderten im Ergebnis soweit wie möglich wieder herzustellen. Ich will nicht gleich mit dem Grundgesetz kommen. Aber es gibt mit § 2a SGB V auch eine naheliegenderen rechtlichen Ansatzpunkt, der für diese Lösung spricht: "Den besonderen Belangen behinderter und chronisch kranker Menschen ist Rechnung zu tragen." Freilich müsste dann wohl wieder der GBA ran, um die Fälle vergleichbar schwerer Behinderungen einzugrenzen.

Dr. Thomas Georg Schätzler 18.03.201111:01 Uhr

SG Aachen - juristisch behindert?

Das nenne ich juristische Winkelzüge des Sozialgerichts Aachen (Sitz der Pharmafirma Grünenthal - früherer Contergan-Hersteller): Das Grundgesetz Artikel 3, Absatz 1 und 3

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(3) ..... Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden

gilt nach Ansicht des SG-Aachen n i c h t für die GKV.

Denn wie soll eine Contergangeschädigte o h n e Arme (mir persönlich bekannt!) mit den Füßen ihre Zahnprothese einsetzen? Da geht es doch mit Implantaten statt Zahnprothesen offensichtlich um den
"Nachteilsausgleich" gegenüber Nichtbehinderten.

Doch dazu kommt der juristische GAU des SG Aachen. Die Tatsache, dass nicht alle Demenzkranken und Armamputierten auf Einhaltung des GG § 3, Abs. 3 klagen können oder wollen bzw. die meisten GKV-Versicherten n i c h t b e h i n d e r t sind, wird als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz desselben § 3, Abs. 1 GG gesehen.

Weil viele psychisch und physisch Behinderte keinen juristischen Beistand finden, verstoßen die Wenigen, die sich wehren, gegen den Gleichheitsgrundsatz?

Kollegiale Grüße, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Sonderberichte zum Thema
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Arzneiforschung: Von Innovationen profitieren nicht nur Patienten, sondern immer auch die Gesellschaft als Ganzes.

© HockleyMedia24 / peopleimages.com / stock.adobe.com

Nutzenbewertung

Arznei-Innovationen: Investition mit doppeltem Nutzen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau