UCB-Chef im Interview

Lösungen für mehr Lebensqualität

Mit hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung und einem patientenorientierten Ansatz macht der Pharma-Mittelständler und Nischenanbieter UCB von sich reden. Im Interview erläutert Peter Mitterhofer, Geschäftsführer von UCB Pharma in Deutschland, die Strategie des Unternehmens.

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:
UCB investiert viel Geld in F+E: Peter Mitterhofer (2.v.r.) zusammen mit Steffen Fritzsche (2.v.l., beide UCB) im Gespräch mit Chefredakteur Wolfgang van den Bergh (r.) und Hauke Gerlof (l., beide "Ärzte Zeitung§).

UCB investiert viel Geld in F+E: Peter Mitterhofer (2.v.r.) zusammen mit Steffen Fritzsche (2.v.l., beide UCB) im Gespräch mit Chefredakteur Wolfgang van den Bergh (r.) und Hauke Gerlof (l., beide "Ärzte Zeitung§).

© Maike Venzl /UCB Pharma GmbH

Ärzte Zeitung: Herr Mitterhofer: Union und SPD wollen sowohl am Preismoratorium als auch an einem erhöhten Rabatt - sieben statt sechs Prozent - festhalten. Was bedeutet das für UCB?

Peter Mitterhofer: Konkret bedeuten die sieben Prozent Nominalrabatt durch den Preisstopp seit 2009 aufgrund der Inflationsrate real 12,5 Prozent.

Seitdem sind die Preise gestiegen, wir haben höhere Sach- und Personalkosten - das können wir nicht abdecken und müssen es anderweitig ausgleichen.

Aber im Gegenzug planen die beiden möglichen Koalitionspartner, auf die Nutzenbewertung des Bestandsmarktes zu verzichten. Würden Sie sagen, das ist ein vernünftiger Kompromiss - zumindest mit Blick auf die Planbarkeit?

Mitterhofer: Grundsätzlich sind das zwei Paar völlig unterschiedliche Schuhe. Für einen Bestandsmarktaufruf zahlen Sie als Pharma-Unternehmen bis zu eine Million Euro für die Datengenerierung und für Unterlagen, die Sie dafür vorbereiten müssen.

Aber auch für den Gemeinsamen Bundesausschuss ist das ein hoher Aufwand, zugleich sind die Aufrufe rechtlich umstritten, weil die Produkte bereits im Markt etabliert sind. Insofern ist der Plan der Koalition für alle Beteiligten von Interesse.

Aber natürlich kann man sagen, dass der Wegfall des Bestandsmarktaufrufs für die Planung hilfreich ist.

Ihr Unternehmen hat sich die Patientenorientierung auf seine Fahnen geschrieben. Das ist nicht unbedingt neu und hat sicherlich auch wenig mit Altruismus zu tun: Inwiefern unterscheiden Sie sich von anderen Unternehmen?

Peter Mitterhofer

Lösungen für mehr Lebensqualität

© Meike Venzl / UCB Pharma GmbH

Aktuelle Position: seit Juni 2013 Geschäftsführung der UCB Pharma GmbH in Monheim

Ausbildung: geb. 1966, Studium Betriebswirtschaft in Wien

Werdegang: Leitung eines Sporthotels in Abtenau; Ver.triebs- und Marketingleiter bei Octapharma. Weitere Stationen bei Pharma: Biogen (Wien, Paris, Ismaning, Cambridge (USA); Kwizda, Abbott, Gedeon Richter.

Mitterhofer: Unser Ansatz bei der Patientenorientierung ist systematisch.

Wir arbeiten global mit Patient Solution Teams, die Bedürfnisse der Patienten in einer frühen Phase der Entwicklung eines Präparates eruieren und einbringen. Letztlich bieten wir Komplettlösungen an, damit der Mensch mit seiner Krankheit besser leben kann.

Können Sie uns Beispiele nennen?

Mitterhofer:Gerne. Rheuma-Patienten haben oft Probleme mit der Handhabung einer Spritze.

Für unseren TNF-alpha-Blocker Certolizumab Pegol (Cimzia®) haben wir eine ergonomische Spritze entwickelt, mit der auch Kranke mit eingeschränkter Beweglichkeit noch gut umgehen können. In Deutschland arbeiten wir zudem mit einem Patientenbeirat zusammen.

Unser Online-Auftritt für Patienten ist dadurch stark vereinfacht worden. Die Erkrankung Epilepsie beispielsweise haben wir mit einem sehr schönen und verständlichen Video im Internet dargestellt, um Patienten zu Beginn ihrer Erkrankung eine gute Orientierung zu geben.

Inwiefern binden Sie niedergelassene Ärzte ein, wenn Sie sich an Patienten wenden?

Mitterhofer: Wir richten uns an Ärzte und an Patienten. Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist oft schwierig. Wir haben ein elektronisches Tagebuch entwickelt, in das Patienten ihre Vitalwerte eintragen, die sie dann an ihren Arzt übermitteln können.

Wir kennen auch viele Ärzte aus Praxen und Kliniken, die Patientenveranstaltungen machen wollen. Das unterstützen wir, ohne jedoch Einfluss auf die Inhalte zu nehmen. Allein 2013 hat es etwa 90 Veranstaltungen gegeben, jeweils mit etwa 60 Patienten.

Kommen wir zum Thema Forschung: Ist es richtig, dass Ihr Unternehmen ein Viertel des Umsatzes in Forschung und Entwicklung steckt?

Mitterhofer:Das stimmt tatsächlich. Im Durchschnitt geben die forschenden Pharmaunternehmen gut 14 Prozent für Forschung und Entwicklung aus, bei uns sind das über 25 Prozent. Damit liegen wir im absoluten Spitzenfeld.

Auch das resultiert aus unserem patientenorientierten Ansatz. Nur mit einer gut gefüllten Pipeline können wir in Zukunft erfolgreiche Produkte für Patienten auf den Markt bringen.

Und wie produktiv arbeiten Ihre Forscher?

Mitterhofer: Sehr produktiv! Das liegt vor allem daran, dass wir Projekte, die nicht zielführend sind, früh stoppen, um die Ressourcen effizient zu nutzen. Das gelingt uns dadurch sehr gut.

Sie konzentrieren sich auf die Immunologie und Neurologie. Darüber hinaus sind Sie noch in den Bereichen Herz-Kreislauf und Diabetes unterwegs. Bei welchen Krankheitsbildern ist mit neuen Therapieoptionen zu rechnen?

Mitterhofer:Wir haben aufgrund unserer hohen Investitionen in die Forschung eine gut gefüllte Pipeline mit mehreren Produkten in Phase-III-Studien: Neue Therapieoptionen werden wir voraussichtlich bald in der Epilepsie haben, mit den Wirkstoffen Lacosamid und Brivaracetam, sowie den Antikörper Romosozumab bei postmenopausaler Osteoporose und den Antikörper Epratuzumab bei Lupus.

Außerdem gibt es Indikationserweiterungen für Certolizumab Pegol bei axialer Spondyloarthritis und Psoriasis-Arthritis, durch die wir in der Immunologie breiter aufgestellt sind.

Angesichts der politischen Rahmenbedingungen in Deutschland ist das Risiko, bei der frühen Nutzenbewertung zu scheitern, nicht unbedingt gering. Macht es da nicht Sinn, strategische Partnerschaften mit anderen Unternehmen einzugehen?

Mitterhofer:Absolut! Kaum ein Unternehmen kann wirklich alles allein machen. Fakt ist doch, dass es diese Riesen-Blockbuster wie früher nicht mehr so häufig geben wird.

Außerdem ist immer mehr Aufwand notwendig, um gute Präparate in den Markt zu bringen. Da sind strategische Allianzen sehr wichtig, und wir treiben das auch aktiv voran.

... und mit wem?

Mitterhofer:Ein Beispiel ist die Neuroallianz hier in Deutschland. Das ist ein Konsortium, in dem UCB den Konsortium-Manager stellt und das gemeinsam mit der Universität Bonn, dem Fraunhofer-Institut SCAI und sechs weiteren Partnern aus dem akademischen und industriellen Umfeld die Indikationen M. Parkinson, Alzheimer und Epilepsie erforscht - alles Gebiete, in denen wir zu Hause sind.

Die Initiative ist übrigens vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt 40 Millionen Euro gefördert worden, nachdem wir in dem vom Ministerium ausgeschriebenen BioPharma-Wettbewerb einen der drei ersten Plätze belegt hatten.

Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit der frühen Nutzenbewertung gemacht?

Mitterhofer: Wir erwarten bei unseren Phase-III-Präparaten ein erstes Beratungsgespräch zur Nutzenbewertung. Cimzia® war zum Startzeitpunkt der Nutzenbewertung bereits zugelassen.

Mit Blick auf die neue politische Konstellation in Berlin: An welchen Stellschrauben des AMNOG sollte die Koalition aus Ihrer Sicht drehen?

Mitterhofer: Einer der wirklich kritischen Punkte ist, dass Vertreter der Kassen bei der Durchführung der Nutzenbewertung mit dabei sind, und dann später auch bei den Preisverhandlungen mit am Tisch sitzen. Es wäre wichtig, diesen Interessenkonflikt aufzulösen. Als zweiten Punkt sehen wir, dass es gut wäre, der Industrie ein Mitspracherecht bei der Wahl der Vergleichstherapie einzuräumen.

Diese Wahl kann am Ende entscheidend sein für Gedeih und Verderb eines Präparates. Letztlich führt gerade diese Frage dann auch zur Opt-out-Entscheidung mancher Unternehmen für bestimmte Produkte. Nicht zuletzt würden wir eine Internationalisierung der Nutzenbewertung begrüßen.

Es treibt die Kosten der Unternehmen enorm in die Höhe, länderspezifische Bedürfnisse für die Nutzenbewertung zu befriedigen. Aber diese Länderspezifika stiften letztlich keinen zusätzlichen Nutzen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss will die Lebensqualität als eigene Nutzenkategorie etablieren. Was bedeutet das für klinische Studien?

Mitterhofer: Ich halte es für essenziell, die Lebensqualität als Nutzenkategorie aufzunehmen. Sie ist zwar schwer messbar und wird daher leicht vom Tisch gewischt. Aber je höher die Lebensqualität ist, desto besser kann sich ein Patient sozial und im Beruf mit seiner und trotz seiner Krankheit einbringen.

Auch wenn Sie sich in der Forschung eher auf die Neurologie und die Immunologie konzentrieren, sind Sie in Deutschland doch sehr stark in der Inneren Medizin unterwegs. Wollen Sie dieses Engagement beibehalten?

Audio

Hören Sie die Antwort von Peter Mitterhofer im Originalton.

Mitterhofer:Wir wollen in diesem Bereich auch in Zukunft stark sein, das spielt für uns in Deutschland eine ganz entscheidende Rolle.

Wir sind in der Inneren Medizin in der Vermarktung innovativer Präparate auch ein guter Partner für andere Unternehmen, etwa für Otsuka und für Novartis, gleiches gilt für Bayer in der Neurologie. Hier wie dort geht es uns darum, Lösungen für Patienten anzubieten, nicht nur Präparate.

So haben wir zusammen mit der Sporthochschule Köln und weiteren Partnern ein Lauftraining für Diabetiker entwickelt, mit dem wir Patienten zu Bewegung motivieren wollen. Über Ärzte und die Berichterstattung in den Medien haben sich dieses Jahr rund 200 Teilnehmer in mehreren Orten in Deutschland in Laufgruppen organisiert. 118 Läufer haben jetzt vor einigen Wochen am Köln-Marathon teilgenommen, über verschiedene Distanzen.

Elf haben sogar die 42 Kilometer geschafft. Mit diesem patientenorientierten Ansatz bringen wir Ärzte, Patienten und Sportexperten aus der Forschung zusammen. Dieser komplementäre Ansatz zur medikamentösen Therapie trägt zu einer gesünderen Lebensweise bei und verbessert so die Lebensqualität.

Redaktionion: Hauke Gerlof

UCB

Branche: UCB sieht sich als Biopharmaunternehmen mit Schwerpunkten in der Neurologie und Immunologie. In Deutschland gehören auch Präparate aus der Inneren ins Portfolio. Hauptsitz des Unternehmens ist in Brüssel.

Umsatz/Gewinn: 3,46 Milliarden Euro (2012), in Deutschland 329 Millionen Euro; operativer Gewinn (EBITDA): 655 Mio. Euro

Mitarbeiter: 9000 in 40 Ländern, davon in Deutschland 771

F+E: 26 Prozent des Umsatzes (2012), im langjährigen Durchschnitt 25 Prozent

Wichtigste Produkte:

- Certolizumab Pegol (Cimzia®): Rheumatoide Arthritis, axiale Spondyloarthritis und Psoriasis-Arthritis

– Lacosamid (Vimpat®): Epilepsie Zusatztherapie

– Rotigotine transdermal (Neupro®): M. Parkinson, RLS

– Innere Medizin: u.a. Dafiro®, Dafiro HCT®, Jalra®, Icandra®, Pletal®, Tonotec®

Pipeline: Phase-III-Studien zu

– Romosozumab:

– Epratuzumab: Lupus

– Lacosamid und Brivaracetam: verschiedene Indikationen bei Epilepsie

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