Was ist wichtig im Wust der Informationen?

Manchmal sind es bis zu hundert Seiten, die Kunden vor dem Abschluss einer Versicherung als Information in die Hand gedrückt werden. Nicht alles ist lesenswert.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Es lohnt sich, genau hinzuschauen: Nicht immer ist sofort erkennbar, wie hoch die Leistungen sind.

Es lohnt sich, genau hinzuschauen: Nicht immer ist sofort erkennbar, wie hoch die Leistungen sind.

© Ott /fotolia.com

Zuerst haben sich alle darüber gefreut: Mehr Transparenz versprach das neue Versicherungsvertragsgesetz, das 2008 in Kraft trat. Es sollte die Rechte des Versicherungsnehmers stärken. Schon vor dem Abschluss einer Police sollten Ärzte wichtige Informationen über ihren Vertrag bekommen.

Dazu gehören die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und ein Produktinformationsblatt, das Auskunft über die garantierten Leistungen sowie die einkalkulierten Abschlusskosten gibt.

"Wichtiges geht neben Unwichtigem unter"

Doch inzwischen geht der Papierwust den meisten Medizinern gehörig auf die Nerven. "Das sind manchmal bis zu hundert Seiten - ein Informations-Overkill", sagt Hans-Ludger Sandkühler, Vorsitzender des Bundesverbands mittelständischer Versicherungs- und Finanzmakler.

"Das will und kann kein normaler Kunde ganz verstehen." Formal erfüllen die Versicherer damit die gesetzlichen Vorschriften. Aber: "Wichtiges geht neben Unwichtigem unter."

Ignorieren sollen Ärzte den Stapel Papier aber nicht, sondern auf einige wichtige Punkte achten, bevor sie einen Versicherungsvertrag unterschreiben. "Wer eine Police abschließen will, sollte sich zunächst einmal nur das Produktinformationsblatt durchlesen", rät Sandkühler. "So kann der Kunde sich einen Überblick verschaffen und gezielter beim Makler oder Vertreter nachfragen."

Prozentangaben sind beim Vergleich hilfreich

Bei Lebens-, Renten- und Berufsunfähigkeitsversicherungen finden sich hier etwa Aussagen zu den Kosten, also wie viel von den eingezahlten Beträgen der Versicherer für Vermittlerprovision und die Verwaltung verwendet.

Wie hoch der Betrag in Euro und Cent ist, verraten die Versicherer zwar nicht - Geschäftsgeheimnis. Prozentangaben auf die zu zahlenden Beträge geben aber zumindest einen Anhaltspunkt und ermöglichen den Vergleich.

Tabellen stiften mehr Verwirrung

Neben den Abschlusskosten ist auch die Leistung, mit der ein Arzt rechnen kann, nicht ohne weiteres erkennbar. Musterrechnungen und Tabellen stiften mehr Verwirrung, als dass sie aufklären. "Viele Kunden wissen nicht, dass sie sich nur auf die garantierten Leistungen verlassen können", sagt Arno Schubach, Fachanwalt für Versicherungsrecht.

 "Prognosen und standardisierte Kalkulationen sind unverbindlich." Hintergrund ist, dass die Anbieter bei klassischen deutschen Lebensversicherungen ihren Kunden einen Garantiezins von zurzeit 2,25 Prozent auf dem Sparanteil der Beiträge für die gesamte Vertragslaufzeit zusagen. 2012 sinkt er auf 1,75 Prozent.

Zudem rechnen die meisten Gesellschaften eine nicht garantierte Überschussbeteiligung an, die jedes Jahr neu festgelegt wird. Im vergangenen Jahr lag sie durchschnittlich bei 4,1 Prozent.

Im schlimmsten Fall stehen Versicherte ohne Rente da

Bei Berufsunfähigkeitsversicherungen müssen Mediziner unbedingt prüfen, wann der Versicherer zahlt und wann nicht. Denn im schlimmsten Fall steht der Versicherte ohne Rente da. Genau nachlesen können Ärzte die Ausschlüsse im Produktinformationsblatt und den Vertragsbedingungen.

Gerade Menschen mit Vorerkrankungen müssen damit rechnen, dass die Versicherer nicht immer zahlen wollen. Weil gute Verträge meist teuer sind, sollten Ärzte vor dem Abschluss genau hinschauen, bevor sie Geld in eine Police stecken.

Keinesfalls allein auf eigenes Urteilsvermögen verlassen

Kunden sollten auf jeden Fall darauf achten, dass im Vertrag keine Verweisungsklauseln enthalten sind, um böse Überraschungen zu vermeiden, sagt Schubach. Mit diesen Klauseln versucht der Versicherer, den Berufsunfähigen in einer anderen, leichteren Tätigkeit unterzubringen.

"Selbstständige sollten prüfen, dass der Versicherer im Ernstfall nicht auf eine Umorganisation der Tätigkeit besteht", sagt er. Die Argumentation: Ein ausgebrannter Arzt kann möglicherweise nicht mehr Patienten behandeln, wohl aber noch die Verwaltung einer Praxis übernehmen.

Gerade bei komplexen Versicherungen wie die gegen Berufsunfähigkeit sollten sich Kunden jedoch keinesfalls allein auf ihr eigenes Urteilsvermögen verlassen. "Für Laien ist es fast unmöglich, die Verträge ohne fachliche Hilfe zu verstehen", sagt Hajo Köster vom Bund der Versicherten. Eine umfassende Beratung durch einen Spezialisten hält er deshalb für unverzichtbar.

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