Deutscher Ärztetag in Leipzig

Ärztetag fordert Runden Tisch „Versorgungssteuerung“

Versorgung gemeinsam sichern – auf das Angebot von Ministerin Nina Warken griff das Ärzteparlament am Dienstag direkt zurück. Mit einem Strauss an Forderungen von der Patientensteuerung über iMVZ bis zur Resilienzfrage.

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Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt während der Debatte zum Leitantrag beim Ärztetag in Leipzig.

Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt während der Debatte zum Leitantrag beim Ärztetag in Leipzig.

© Elisa Schu/dpa

Leipzig. Neue Regierung, neue Gesundheitsministerin – die Bundesärztekammer sieht ihre Chance, bei den anstehenden großen Reformen mehr mitgestalten zu können. Dementsprechend setzt der BÄK-Vorstand in dem am Dienstagnachmittag vom Deutschen Ärztetag beschlossenen Leitantrag auf den Dialog, den Ministerin Nina Warken (CDU) erst wenige Stunden zuvor bei der Eröffnung des 129. Ärztetages in der Leipziger Nikolaikirche versprochen hatte.

Für die im Koalitionsvertrag angedachte Patientensteuerung etwa schlägt die Kammer vor, einen Runden Tisch „Versorgungssteuerung“ einzurichten, „der die Reform vorbereitet und die Umsetzung begleitet“. Hier sollen dann alle von der Steuerung betroffenen Akteure einbezogen werden.

Behandlungswünsche eingrenzen

Auf Antrag von Delegierten aus Westfalen-Lippe und Hessen spricht sich der Ärztetag zudem dafür aus, die Steuerung im Sinne des medizinisch Notwendigen nachzuschärfen. „Ziel muss es sein, eine Patientensteuerung zu realisieren, die sich ausnahmslos nach den Kriterien einer medizinischen Notwendigkeit und eines medizinischen Nutzens ausrichtet“, heißt es in dem entsprechenden Beschluss. Denn: Bisher träfen immer mehr ungesteuerte Patientinnen und Patienten und ihre Behandlungswünsche auf begrenzte ärztliche Ressourcen. Dies habe dazu geführt, dass für die dringenden Fälle nicht mehr genügend Arztzeit zur Verfügung stehe.

Eine klare Position bezieht der Ärztetag auch in der Frage, der investorenbetriebenen MVZ (iMVZ). Für die gesetzliche Regulierung, die die neue Bundesregierung angekündigt hat, habe die Bundesärztekammer bereits brauchbare Vorschläge erarbeitet, etwa ein Verbot von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen, die Gewährleistung des örtlichen und fachlichen Bezugs eines Gründungskrankenhauses zum MVZ, die ausschließliche Zulassung fachübergreifender MVZ und die Herstellung von Transparenz über die Inhaberschaft eines MVZ.

Ein komplettes Verbot von Investoren schweben der BÄK und dem Ärztetag dabei nicht vor. Investitionen in Versorgungsstrukturen müssten weiterhin möglich sein, die aus Solidarbeiträgen generierten Mittel für die Patientenversorgung müssten aber „vor einem Abfluss in internationale Finanzmärkte geschützt werden“ und die „ärztliche Freiberuflichkeit“ müsse gestärkt werden – auch für angestellte Ärztinnen und Ärzte.

Schnelle Entbudgetierung für „überwiesene“ Fälle

Versorgungssicherung unter Budgetdeckeln? Das funktioniert laut dem Bundesärztekammer-Vorstand nicht mehr. Im beschlossenen Leitantrag heißt es: Der Entbudgetierung hausärztlicher und pädiatrischer Leistungen muss der Einstieg in die Entbudgetierung aller fachärztlichen Leistungen folgen. In einem ersten Schritt müssten zumindest Leistungen für all jene Patienten entbudgetiert werden, die den Fachärzten „im Rahmen der geplanten hausärztlichen Primärversorgung zugewiesen werden“.

Etwas Sorgen bereitet der BÄK die im Koalitionsvertrag angekündigte Prüfung einer Entbudgetierung von Fachärzten in unterversorgten Gebieten. Hier dürfe es nicht allein um die Frage gehen, welche Kosten dadurch verursacht würden, sondern vor allem um die Frage, welche Verbesserung in der Patientenversorgung damit erreicht werden kann. Gleichzeitig setzten sich Dr. Silke Lüder aus Hamburg und weitere Delegierte damit durch, dass man klar als Ärztetag „die im Koalitionsvertrag geplanten Abschläge für die fachärztliche Versorgung in formal überversorgten Gebieten“ ablehne. Dies missachte nämlich, dass die Bedarfsplanung veraltet sei, und in Großstädten viele Patienten des Umlands mit versorgt würden, die häufig in anderen Bedarfsplanungsbereichen wohnen – hier also Unterversorgung anderer Regionen zum Teil aufgefangen wird.

Feste Pauschale für die Weiterbildung

Um die Weiterbildung zu stärken, erneuert der Ärztetag seine Forderung nach einer Weiterbildungspauchale, die er bereits im vergangenen Jahr in Mainz ins Gespräch gebracht hatte. Das Hauptargument im vergangenen Mai: Insbesondere im ambulanten Bereich werde das Vorhalten von Ressourcen für eine gute Weiterbildung bislang nicht gegenfinanziert. Hier geht es um zusätzliche Räumlichkeiten und medizinische Geräte, allerdings ebenso darum, dass neue Lehr- und Lernmethoden sowie KI-gesteuerte Systeme abgebildet werden müssen.

Gegenwehr zum Vorschlag, die Pauschale könne aus dem Gesundheitsfonds finanziert werden, kam unter anderem vom Delegierten Julian Veelken aus Berlin. Die Mittel des Gesundheitsfonds, der „die laufenden Kosten der Patientenversorgung“ finanziere, sollten hier nicht zweckentfremdet werden. Und es könne auch nicht sein, dass die Weiterbildung, von der auch Privatpatienten profitieren, am Ende nur aus GKV-Mitteln gegenfinanziert werde. Hier müssten ähnlich wie für „Investitionen in die Hardware“ andere Mittel herangezogen werden.

Klare Zuständigkeiten und Fristen

Die zunehmenden globalen Krisen – ob nun kriegerische Auseinandersetzungen oder Klimawandel – machen es notwendig, für mehr Resilienz in der Versorgung zu sorgen. „Wir müssen sehen, dass es mehr Krisen werden und wir stehen dabei immer an erster Stelle“, sagte Dr. Robin Maitra aus Baden-Württemberg in der Diskussion zum Leitantrag. „Die Veränderungen des Klimas werden in den nächsten Jahren unsere ärztliche Tätigkeit stark beeinflussen.“

Ob nun die ausreichende Vorhaltung von Arzneimitteln und Medizinprodukten, klar geregelte Zuständigkeiten oder trainierte Abläufe: In Deutschland bestehe in nahezu allen diesen Bereichen erheblicher Nachholbedarf, stellt der BÄK-Vorstand klar. Der Ärztetag ruft daher Bund und Länder dazu auf, gemeinsam mit der Ärzteschaft und weiteren relevanten Akteuren eine umfassende Resilienzstrategie für das Gesundheitswesen zu entwickeln. Und zwar eine, die die erforderlichen Umsetzungsschritte mit klaren Fristen unterlegt, die jeweiligen Zuständigkeiten zuweise und die Finanzierung sichere. (reh)

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