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DKK 2024

Prof. Winkler zur Glioblastom-Forschung: „Seeing is understanding“

Im Mittelpunkt der Forschung von Professor Frank Winkler steht das Glioblastom. Im Interview gibt der Neuroonkologie Einblicke in seine Arbeit und erläutert, wie er für seine Untersuchungen modernste Methoden der Live-Mikroskopie nutzt.

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Professor Frank Winkler leitet die Arbeitsgruppe Experimentelle Neuroonkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum und ist geschäftsführender Oberarzt der Abteilung für Neuroonkologie am Universitätsklinikum Heidelberg

Professor Frank Winkler leitet die Arbeitsgruppe Experimentelle Neuroonkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum und ist geschäftsführender Oberarzt der Abteilung für Neuroonkologie am Universitätsklinikum Heidelberg

© Deutsche Krebsgesellschaft

Hirntumorforscher Professor Frank Winkler leitet die Arbeitsgruppe Experimentelle Neuroonkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum und ist geschäftsführender Oberarzt der Abteilung für Neuroonkologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Im Mittelpunkt seiner Forschung steht das Glioblastom, für seine Untersuchungen nutzt er modernste Methoden der Live-Mikroskopie. Im Interview und einem dazugehörigen Youtube-Video gibt er Einblicke in seine Arbeit.

Herr Professor Winkler, warum haben Sie sich für die Neuroonkologie als Forschungsgebiet entschieden?

Weil ich dort eine besonders große Notwendigkeit für die Entwicklung neuer, besserer Behandlungskonzepte sehe. So sehr die Fortschritte in der Onkologie in den letzten Jahrzehnten beeindrucken, so sind die Fortschritte im Hirntumorbereich doch überschaubar. Denn viele Medikamente aus anderen onkologischen Bereichen greifen hier nicht.

Das war vermutlich auch der Grund, warum Sie sich das Glioblastom als Forschungsgebiet ausgesucht haben?

Genau. Das Glioblastom ist mit jährlich 3000 bis 4000 Neuerkrankungen in Deutschland zwar nicht der häufigste Tumor im Gehirn. Aber es handelt sich um eine besonders aggressive Krankheit. Die primäre Resistenz gegenüber gängigen Therapieansätzen sowie die erworbene Resistenz stellen uns in der Klinik immer wieder vor Herausforderungen.

Welche Methoden nutzen Sie, um die Biologie dieser Tumoren besser zu verstehen?

Wir arbeiten je nach Fragestellung mit Zellkulturen und Organoidmodellen, z. B. Minibrains oder Tumorgewebe, das von Patient*innen stammt. Bei einem Forschungsaufenthalt an der Harvard University in Boston habe ich die außerdem die Intravitalzeitphotonen-Mikroskopie kennengelernt – damit kann man einem so komplexen Organ wie dem Gehirn live bei der Arbeit zuschauen. „Seeing is understanding“: Ohne diese Beobachtungsmöglichkeit hätten wir viele Details aus der Tumorbiologie des Glioblastoms gar nicht entdeckt.

Was genau haben Sie mit diesen Methoden herausgefunden?

Einige unserer Ergebnisse sind in einem kleinen Erklärvideo auf Youtube zusammengefasst. Es zeigt sich: Das Glioblastom verhält sich wie ein Organismus mit verschiedenen kooperierenden Zellpopulationen. Es gibt z. B. Tumorzellen mit spezifischen neuralen Eigenschaften, die die Invasion ins Gehirn meistern und mit Nervenzellen interagieren. Sie bilden sogenannte Tumor-Microtubes aus, die große Ähnlichkeit mit den Neuriten von Nervenzellen aufweisen.

Mit Hilfe dieser Fortsätze entsteht über die Zeit ein elektrisch aktives Netzwerk, dessen Tumorzellen über Calciumwellen miteinander kommunizieren. Das Netzwerk erkennt sogar Schäden an sich selbst und kann sie in einem klugen Mechanismus reparieren. So erklärt sich z.B. die Resistenz der Tumorzellen gegenüber der Strahlen-Chemotherapie.

Infos zum DKK 2024 im Überblick

„Fortschritt gemeinsam gestalten“ – so lautet das Motto des Deutschen Krebskongresses, der vom 21. bis 24. Februar 2024 in Berlin stattfindet. Aktuelle Berichte über die DKK-Veranstaltungen finden Sie auf unserer Übersichtsseite.

In Kooperation mit: Deutsche Krebsgesellschaft und Stiftung Deutsche Krebshilfe

Darüber hinaus wird das Netzwerk durch schrittmacherähnliche Zellen aktiviert, die in Knotenpunkten sitzen. Auch das kennen wir aus der Entwicklung von Nervenzellen; ganz ähnliche Zellen entstehen bei der neuronalen Reifung. Wir lernen immer mehr über die Art der Tumorausbreitung im Gehirn und die Gründe für seine Therapieresistenz.

Was bedeutet das für die Entwicklung besserer Therapien?

Tatsächlich laufen derzeit zwei vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte klinische Studien. Dort werden verschiedene Substanzen geprüft, die zielgenau die von uns entdeckten Mechanismen angreifen.

In der PerSurge-Studie testen wir einen AMPA-Rezeptor-Hemmer, der bereits als Antiepileptikum zugelassen ist. Uns interessiert, ob dieses Medikament bei Patient*innen mit einem wiederkehrenden Glioblastom einen Effekt auf die Tumorprogression hat.

In der MecMeth-Studie unter der Leitung von Prof. Ulrich Herringer in Bonn wird ein Gap-Junction-Hemmer geprüft. Diese Substanz blockiert die Connexin-43 Gap-Junctions zwischen den Zellen im Tumorzellnetzwerk. Wir hoffen, dass sie die Kommunikation zwischen den Tumorzellen unterbindet. Diese beiden Studien rekrutieren bereits.

Darüber hinaus arbeiten wir an der Hemmung der Schrittmacher-Aktivität und entwickeln auch neue Substanzen, mit denen eine Netzwerkentkopplung möglich ist.

Wann sind diese Therapien so weit, dass Patient*innen auch außerhalb von klinischen Studien davon profitieren können?

Wenn die genannten Studien erfolgreich sind, dann kann das in wenigen Jahren schon der Fall sein. Wir müssen natürlich den Therapienutzen im Rahmen einer sorgfältigen klinischen Prüfung belegen und zeigen, dass er die möglichen Nebenwirkungen und Belastungen übersteigt. Die genannten Studien finden im Rahmen von Phase I oder II der klinischen Entwicklung statt. Phase-III-Studien fehlen noch.

Was raten Sie jungen Ärzt*innen, die sich wie Sie für die translationale Forschung interessieren?

Cancer Neuroscience ist ein „Rising Star“ unter den Forschungsgebieten. Es geht dabei nicht nur um Hirntumoren. Es gibt kaum eine Tumorart, die nicht mit dem Nervensystem in Wechselwirkung tritt. Die Potenziale in der Therapieentwicklung sind groß, die biologischen Grundlagen hochspannend, die Publikationen hochrangig. Für junge Menschen ist das sicherlich ein sehr lohnendes Feld.

Wer sich dafür interessiert, sollte sich ein gutes Labor oder eine gute Abteilung für klinische Forschung suchen. Die gibt es nicht nur in den USA, sondern mittlerweile auch in Europa bzw. Deutschland. Darüber hinaus bieten viele Standorte sehr gute Clinician Scientist-Programme an. Dort arbeitet man in der Klinik, kann aber ein bestimmtes Zeitkontingent für Forschung nutzen.

Gliomforschung auf dem DKK 2024

Mittwoch, 21. Februar, 15:00 - 16:30 Uhr; Raum M1; Lokale Therapien in der Neuroonkologie

Donnerstag, 22. Februar, 10:45 - 12:15 Uhr; Raum M1; Maligne Gliome – first line

Erfahren Sie mehr über das Glioblastom und seine Ausbreitung im Gehirn in diesem Youtube-Video.

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