Hintergrund

ASS schützt offenbar vor Krebs

Die Beweise verdichten sich: Acetylsalicylsäure (ASS) schützt wohl vor Krebs und auch vor Metastasen. Und es eignet sich womöglich sogar zur Therapie bei Tumoren. Einige Argumente sprechen noch gegen eine generelle Krebsprophylaxe mit ASS. Doch viele sind es nicht mehr.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Krebsprävention mit der täglichen Tablette? Das könnte bald Realität werden.

Krebsprävention mit der täglichen Tablette? Das könnte bald Realität werden.

© emil umdorf / imago

Drei aktuelle Studien haben jetzt die krebsschützende Wirkung von ASS bestätigt.

In der ersten Studie untersuchten britische Forscher anhand der Daten von 51 randomisierten Studien mit mehr als 69.000 Patienten die Effekte von ASS, die nach drei beziehungsweise fünf Jahren in puncto Krebsinzidenz, Krebssterblichkeit und nicht vaskulär bedingter Todesfälle festzustellen sind (Lancet 2012; online am 21. März).

Alle Studien waren ursprünglich dafür konzipiert gewesen, die Wirkung täglich verabreichter ASS in der Primär- und Sekundärprävention vaskulärer Ereignisse zu testen. Die jeweiligen Kontrollpatienten hatten kein ASS und auch keinen anderen Plättchenhemmer erhalten.

Krebsmortalität um bis zu 30 Prozent verringert

Unabhängig von der Dosis senkte die Einnahme von ASS die Krebsmortalität um 15 Prozent. Nach einer Einnahmedauer von fünf Jahren und mehr nahm das auf Krebs bezogene Sterberisiko sogar um 37 Prozent ab.

Die Gesamtzahl nicht vaskulär bedingter Todesfälle sank um 12 Prozent. Für ASS-Dosierungen = 300 mg/d war bereits während der ersten drei Jahre eine Reduktion der Krebssterblichkeit um 31 Prozent zu verzeichnen. Die Krebsinzidenz ging ab einer dreijährigen ASS-Einnahme bei Frauen um 25 Prozent und bei Männern um 23 Prozent zurück.

Die absolute Risikoreduktion lag nach drei Jahren bei 2,2 und nach fünf Jahren bei 4,8 Fällen pro 1000 Patienten und Jahr. Interessanterweise wurden die präventiven Effekte von ASS fürs Gefäßsystem während der ersten drei Jahre von ernsten Blutungskomplikationen zunichte gemacht.

Nach drei Jahren gingen dann zwar die Komplikationsraten zurück - die Letalität durch größere extrakranielle Blutungen lag unter ASS sogar niedriger als unter Placebo -, aber auch der Gefäßschutz verflüchtigte sich. Was blieb, war das reduzierte Krebsrisiko.

Zweite Studie ging über längeren Zeitraum

Dass ASS die Krebsinzidenz auch über einen langen Zeitraum abnehmen lässt, bestätigt eine zweite Studie, deren Ergebnisse im "Lancet Oncology" nachzulesen sind (Lancet Oncology 2012; online am 21. März).

Forscher verglichen darin die Ergebnisse von Beobachtungsstudien mit jüngsten Resultaten randomisierter Untersuchungen, in denen das Risiko berechnet worden war, während eines Zeitraums von 20 Jahren an Krebs zu sterben.

Bezogen auf Darmkrebs senkte ASS dieses Risiko dosisunabhängig um 38 Prozent in den Fall-Kontroll- und um 42 Prozent in den randomisierten Studien. Ähnliche Effekte wurden bei Speiseröhren-, Magen- und Brustkrebs sowie bei biliären Malignomen gefunden.

Krebs mit Fernmetastasen trat unter ASS um rund ein Drittel seltener auf. Hingegen hatte die Einnahme des Thrombozytenhemmers keine Auswirkungen auf die Häufigkeit von Diagnosen lokal fortgeschrittener Krebsgeschwulste.

ASS und Metastasen im Blickfeld

Wie Laborexperimente gezeigt haben, spielt die Funktion der Blutplättchen eine wichtige Rolle für das Wachstum von Tumoren und die Bildung von Metastasen. In einer dritten Studie wurde daher der Einfluss von ASS = 75 mg/d auf das Auftreten von Metastasen untersucht (Lancet 2012; online am 21. März).

Dazu werteten die Forscher fünf randomisierte Studien zur Prävention gefäßbedingter Ereignisse aus und zogen die Daten von 987 Patienten heran, bei denen während der Beobachtungsphase eine Krebserkrankung diagnostiziert worden war.

Die Gesamtrate metastasierter Krebserkrankungen lag bei den Patienten unter ASS um 31 Prozent niedriger als bei den Kontrollpatienten der Studien, die kein ASS erhalten hatten.

Adenokarzinome mit Absiedlungen waren um 46 Prozent seltener zu finden. Zum Diagnosezeitpunkt lag deren Metastasierungsrate um 31 Prozent niedriger.

Risiko für Metastasen um bis zu 74 Prozent reduziert

Patienten mit Adenokarzinomen, die bei Diagnose keine Metastasen gehabt und ASS eingenommen hatten, trugen ein um 55 Prozent geringeres Risiko, im weiteren Verlauf Metastasen zu entwickeln.

Der mittlere Follow-up hatte dabei 6,5 Jahre betragen. Im Falle kolorektaler Karzinome betrug die Risikoreduzierung sogar 74 Prozent. Den Autoren zufolge eröffnen diese Zahlen die Option, ASS in die Therapie bestimmter Krebsarten einzuführen.

Die Harvard-Mediziner Andrew Chan und Nancy Cook aus Boston können sich in ihrem Kommentar zu den aktuellen Ergebnissen dennoch nicht entschließen, den Routineeinsatz von ASS in der Krebsprävention zu befürworten.

Sie nennen drei Gründe: Erstens hätten die Women's Health Study und die Physicians' Health Study, die beiden größten Studien zur Primärprävention, keinen Nutzen von ASS für die Krebsprävention gezeigt.

ASS war hier aber nicht täglich, sondern nur jeden zweiten Tag in einer Dosis von 325 mg gegeben worden.

Zweitens müssten auch weniger ernste Komplikationen einer Dauergabe von ASS ins Kalkül gezogen werden. Und drittens fehle bisher ein Vergleich der Effekte unterschiedlicher ASS-Dosierungen innerhalb ein und derselben Studie.

Quelle: www.springermedizin.de

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