INTERVIEW

Bei Asthma ist jetzt für die weitere Behandlung der Grad der Krankheitskontrolle entscheidend

Die neue Asthma-Leitlinie der Global Initiative for Asthma (GINA) ist ein wichtiges Thema beim Pneumologen-Kongress in Mannheim. Diese ähnelt in ihren Therapie-Empfehlungen sehr der aktualisierten Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie. "Wir möchten Langzeiterfolge damit erzielen, dass wir den Patienten keine Therapieschäden zufügen, ihnen aber auch keine Lebensqualität vorenthalten, die bei guter Therapie möglich wäre". Das sagte Kongress-Präsident Professor Gerhard W. Sybrecht im Gespräch mit Christiane Inholte von der "Ärzte Zeitung".

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Ärzte Zeitung: Was sind die wesentlichen Änderungen nach der neuen internationalen GINA-Leitlinie zu Asthma?

Professor Sybrecht: Die Behandlung nach dem Schweregrad-Schema, etwa nach intermittierenden oder persistierenden leichten Symptomen, wurde aufgegeben. Stattdessen ist nun der Grad der Asthma-Kontrolle für die Therapie entscheidend.

Ärzte Zeitung: Wie sind die Grade definiert?

Sybrecht: Es gibt jetzt drei verschiedene Grade der Asthma-Kontrolle. Grad eins bedeutet: Es liegt ein kontrolliertes Asthma vor. Das heißt, dass die Patienten keine Tages- und keine nächtlichen Symptome wie Aufwachen haben. Außerdem sind sie nicht in ihrer körperlichen Aktivität eingeschränkt. Die Patienten brauchen keine Notfallmedikation. Ihre Lungenfunktion und der Peak Flow sind normal. Es kommt auch nicht zu Exazerbationen.

Bei Grad zwei ist das Asthma nur partiell kontrolliert: Solche Patienten haben mehr als zwei Mal pro Woche tagsüber Asthma-Symptome. Die körperliche Belastbarkeit ist eingeschränkt, und sie benötigen mehr als zwei Mal pro Woche eine Notfallmedikation. Die Lungenfunktion beträgt weniger als 80 Prozent der Sollfunktion, und es kommt zu mehr als einer Exazerbation pro Jahr.

Grad drei bedeutet: Das Asthma ist unkontrolliert. In dieser Phase haben Patienten mehr als eine Exazerbation pro Woche und mehr als drei der genannten Einschränkungen wie Tages- oder Nachtsymptome, steigende Medikation und körperliche Limitationen.

Ärzte Zeitung: Wie sieht die Therapie nach dem neuen Schema der GINA-Leitlinie aus?

Sybrecht: Entscheidend ist hierbei, dass das Asthma kontrolliert ist. Das kann sehr aufwendig sein und bedeuten, dass ein Patient mehr Medikamente einnehmen muss als vorher. Bei nur partiell kontrollierter oder unkontrollierter Erkrankung muss die Therapie so reguliert werden, dass wieder Asthma-Kontrolle erreicht wird.

Ärzte Zeitung: Können sich Kollegen dabei auch an dem Stufenschema der aktualisierten Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie orientieren?

Sybrecht: Ja, die Kollegen sollten nur die Einstellung nach diesem Schema vornehmen. So kann bei einem Patienten zunächst eine Bedarfsmedikation mit einem rasch wirksamen Beta-2-Sympathomimetikum reichen. Ist der Patient mit dieser Therapie aber im späteren Verlauf nicht mehr ausreichend kon-trolliert, können etwa niedrig dosierte inhalative Kortikoide oder eventuell Leukotrien-Antagonisten dazu gegeben werden. Die Therapie wird so lange optimiert, bis das Asthma kontrolliert ist.

Ärzte Zeitung: Entspricht das nicht der Empfehlung der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, die Therapie nach der Ersteinstellung je nach Bedarf zu intensivieren oder zu reduzieren?

Sybrecht: Im Prinzip schon, die GINA-Leitlinie gebraucht nur eine andere Art der Darstellung der Therapieprinzipien, die gut in die Praxis umzusetzen ist, da professionelle Medizin-Didaktiker daran mitgearbeitet haben.

Ärzte Zeitung: Welche spannenden Themen wird es noch beim diesjährigen Pneumologen-Kongress in Mannheim geben?

Sybrecht: Auch die fettleibigen Patienten sind ein wichtiges Thema. Adipositas hat in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen und mit ihr Komorbiditäten wie die schlafbezogenen Atemstörungen. Zudem nimmt die COPD als Todesursache immer mehr zu. Der Erkrankung ist die diesjährige Plenarsitzung gewidmet. Außerdem wird beim Kongress die neue COPD-Leitlinie vorgestellt.

Ärzte Zeitung: Auch das Passivrauchen wird derzeit heftig diskutiert. Es ist ja auch beim Kongress ein wichtiges Thema. Wie stehen Sie zu dieser Problematik?

Sybrecht: Schon seit Jahren deuten Studienergebnisse auf die Folgen wie kardiovaskuläres Risiken hin, die Passivrauchen mit sich bringt. Wir Pneumologen sprechen uns ganz klar gegen Passivrauchen am Arbeitsplatz aus. Jeder Arbeitsplatz - auch die kleine Eckkneipe - müssen zu 100 Prozent rauchfrei werden. Wird das nicht strikt gehandhabt, dann werden sich immer wieder Schlupflöcher auftun. Es gibt keine Grenzwerte für die Kanzerogene, und deshalb kann es auch keine Luftqualitäts-Messungen oder durch technische Verfahren verbesserte Luft geben. Die Werbung verspricht aber schon jetzt verbesserte Luft durch technische Lösungen. Das darf nicht zugelassen werden!



ZUR PERSON

Professor Gerhard Walter Sybrecht ist der Präsident des diesjährigen Pneumologen-Kongresses.

Seit dem ersten Januar 1986 ist er Direktor der Medizinischen Universitätsklinik und Poliklinik Homburg im Saarland. Der Pneumologe, der seine Facharztausbildung an der Medizinischen Hochschule Hannover absolviert hat, ist seit 1992 im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und seit 1994 Vorstand der Deutschen Lungenstiftung. Seit 2001 ist Sybrecht zudem Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin und seit 2003 im Vorstand der European Respiratory Society.

Der in Unna geborene Sybrecht ist seit 1967 verheiratet und Vater von drei Kindern. (cin)

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