Interview

"Brustzentren sind eine große Erfolgsstory"

Die Heilungschancen bei Brustkrebs haben sich in Deutschland seit Mitte der 90er Jahre deutlich verbessert. Das ist auf den stärkeren Einsatz von Früherkennungsmaßnahmen, aber auch auf individualisierte Therapie zurückzuführen, sagt Professor Diethelm Wallwiener.

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Ärzte Zeitung: Weltweit hat sich seit 1980 die Zahl neuer Brustkrebserkrankungen mehr als verdoppelt, und die Mortalität ist gestiegen. Wie ist die Lage in Deutschland?

Prof. Diethelm Wallwiener

Aktuelle Position: Ärztlicher Direktor der Universitäts-Frauenklinik Tübingen

Karriere: Leiter des Universitäts-Brustzentrums im Südwestdeutschen Tumorzentrum Tübingen; Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie

Professor Diethelm Wallwiener: Da aktuell in Deutschland noch keine vollständige und flächendeckende Krebsregistrierung existiert, können Zahlen, insbesondere Inzidenzraten, bislang nur geschätzt werden. Dies gilt auch für die Zahlen, die eine Zunahme an Brustkrebserkrankungen seit 1970 zeigen.

Als erwiesen gilt jedoch, dass die Brustkrebssterberate in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre um mehr als 20 Prozent zurückgegangen ist. Im Jahre 2004 erkrankten etwa 57.000 Patientinnen neu an Brustkrebs, und die Sterberate betrug altersbezogen 18 Prozent.

Ärzte Zeitung: Woher stammen diese Zahlen?

Wallwiener: Wir haben zum Beispiel die Daten aus den zertifizierten Brustzentren ausgewertet und zur Verfügung gestellt. Und außerdem haben wir ja die Landeskrebsregister, die jetzt nach und nach ans Netz gehen.

Wir rechnen damit, dass wir in den nächsten Jahren valide Daten für ganz Deutschland bekommen werden, sobald die Vernetzung der Landeskrebsregister funktioniert.

Ärzte Zeitung: Wie wurde die Sterberate bei Brustkrebs-Patientinnen in Deutschland gesenkt?

Wallwiener: Das ist sicherlich in erheblichem Maße auf den zunehmenden Einsatz von Früherkennungsmaßnahmen wie Mammografie, Sonografie und Magnetresonanztomografie zurückzuführen. Denn wir wissen, dass sich durch die Erkennung von Brustkrebserkrankungen in einem sehr frühen Stadium die Heilungschancen deutlich erhöhen.

Eine erfreuliche Entwicklung ist auch, dass in den vergangenen Jahren die Erkennungsrate der In-situ-Karzinome, also der Brustkrebs-Vorstufen extrem gestiegen ist. Das beobachten wir etwa auch in unserem Brustzentrum in Tübingen.

Mittlerweile werden in den großen universitären Brustzentren fast so viele Mammakarzinome operiert, die zum Zeitpunkt der Diagnose noch nicht tastbar waren, wie solche, die bereits tastbar waren. Das heißt, es wird in zunehmend frühen Stadien operiert.

Ärzte Zeitung: Und was ist mit den Fortschritten in der Therapie?

Wallwiener: Auch diese sind und waren außer der Früherkennung entscheidend für die heutzutage bessere Prognose von Brustkrebs-Patientinnen. Durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse konnte die Biologie der einzelnen Tumoren besser verstanden werden und eine so genannte individualisierte Therapie angeboten werden.

Neben Chemo- und Hormontherapie stehen differenzierte Immuntherapien wie die Gabe von Antikörpern zur Verfügung. Und der Einsatz spezieller Medikamente etwa gegen Übelkeit oder zur Vorbeugung eines Abfalls der weißen Blutkörperchen macht eine Chemotherapie deutlich verträglicher und sicherer.

Ein weiterer Faktor ist die zunehmende Behandlung von Brustkrebs-Patientinnen in zertifizierten Brustzentren. Damit kann von einer zunehmenden standardisierten, leitliniengerechten Diagnostik und Therapie ausgegangen werden. All dies hat letztendlich zur Verbesserung von Lebensqualität, aber auch zu einer Reduktion der Sterberate geführt.

Ärzte Zeitung: Was genau bringen die zertifizierten Brustzentren, die seit zehn Jahren aufgebaut werden?

Wallwiener: Schon jetzt ist klar, dass dies eine große Erfolgsstory ist. So hat das Erlanger Brustzentrum von der Qualitätssicherungsstelle des Landes Bayern vor Kurzem Daten aus zertifizierten Zentren und zum Vergleich die entsprechenden Zahlen aus nicht-zertifizierten Kliniken bekommen.

Dabei stellte sich heraus, dass die Brustkrebs-Sterberate bei Frauen, die in zertifizierten Brustzentren behandelt wurden, deutlich geringer war. Man sollte den Patientinnen daher unbedingt raten, sich in einem solchen Zentrum behandeln zu lassen, zumal wir in Deutschland mit etwa 250 zertifizierten Brustzentren mittlerweile nahezu flächendeckend versorgt sind.

Diese Kliniken bekommen ihr Gütesiegel nur dann, wenn sie Qualität abliefern.

Ärzte Zeitung: Was können wir in naher Zukunft noch verbessern in der Versorgung von Brustkrebs-Patientinnen?

Wallwiener: Wesentlich ist, dass künftig noch viel mehr Frauen als bisher regelmäßig am Mammografie-Screening teilnehmen. Bisher sind es ja nur magere 50 Prozent. Je höher die Zahl der Teilnehmerinnen ist, desto besser sind auch die Behandlungsergebnisse und die Heilungsraten.

Zudem kann eine weitere Zentralisation der Kliniken in große Brustzentren die Qualität der Behandlung verbessern und das Umsetzen der Leitlinien sichern.

Ärzte Zeitung: Lässt sich quantifizieren, welchen Einfluss die Brustkrebsfrüherkennung und welchen die Fortschritte in der Therapie für die Brustkrebssterberate haben?

Wallwiener: Das kann wohl momentan keiner sagen. Und ich bezweifle, ob man das jemals kann. Es ist wohl die Synergie aus beidem, was die Brustkrebssterberate verringert. Aus großen epidemiologischen Studien ist allerdings schon seit langem bekannt, dass allein das interdisziplinäre Zusammenarbeiten die Mortalität um bis zu einem Drittel senkt.

Das Gespräch führte Ingrid Kreutz

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