Interview
Darmkrebsmonat März: Das Schweigen brechen
Die Felix Burda Stiftung feiert zehnjähriges Jubiläum. Ihr Engagement für die Darmkrebsvorsorge ruht auf zwei Säulen: PR-Aktionen und gesundheitspolitische Arbeit.
Veröffentlicht:Ärzte Zeitung: Wie hat sich die Stoßrichtung der Felix Burda Stiftung in zehn Jahren gewandelt?
Dr. Christa Maar: Anfangs haben wir bloß PR gemacht, etwa mit Anzeigenkampagnen. Ziel war, das Schweigetabu zu brechen, das selbst in Familien mit Darmkrebs herrschte und folgenden Generationen jede Chance zur Vorsorge raubte. Im Lauf der Jahre wurde dann außerdem die gesundheitspolitische Arbeit wichtig.
Ärzte Zeitung: Mit welcher Bilanz?
Maar: Ohne die Stiftung bewegt sich bei Darmkrebsvorsorge nichts. Wir haben das Maximum an öffentlicher Aufmerksamkeit erreicht, das müssen wir hochhalten.
Die Bilanz ist beachtlich: Die 3 Prozent, die jährlich eine Vorsorgekoloskopie machen, summieren sich seit 2002 auf etwa ein Drittel der Anspruchsberechtigten, wenn man die unter "kurativ" fallenden Spiegelungen wegen positiver Stuhltests oder Darmkrebs in der Familie einrechnet. 4,5 Millionen Vorsorgekoloskopien wurden gemacht und so 100.000 Kolonkarzinome verhindert.
Ärzte Zeitung: Wie sieht die Lobby-Arbeit aus?
Maar: Wir haben im Nationalen Krebsplan eine Reihe Verbesserungsempfehlungen eingebracht, etwa zum Einladungsverfahren. Bei einem Pilotprojekt der AOK Rheinland/ Hamburg haben sich die Vorsorgekoloskopien sofort verdoppelt.
Weit voran sind die KVen Saarland und Bayern. Im Saarland werden die Berechtigten bereits seit zwei Jahren eingeladen. In Bayern soll noch dieses Jahr der erste Brief verschickt werden. Langsam atme ich auf, nach dem Abstimmungsmarathon, der zu bewältigen war.
Beispiel: Adressen. Bei den Einwohnermeldeämtern war der Datenschutz eine Hürde, nun nutzt man die Versichertendaten der Krankenkassen. Eingespannt in diese Blaupause für eine bundesweite Aktion sind die Hausärzte - gegen Honorar.
Dr. Christa Maar
Aktuelle Position: Präsidentin der Burda Akademie zum Dritten Jahrtausend und Vorstand der Felix Burda Stiftung
Ausbildung: Studium der Kunstgeschichte
Karriere: Drehbuchautorin, Regisseurin und Chefredakteurin
Privates: Ihr Sohn Felix starb 2001 an Darmkrebs
Ärzte Zeitung: Ein weiterer Vorschlag?
Maar: Der gilt dem familiären Risiko. Das ist mir ein Anliegen, weil es bei meinem Sohn schon mit 31 Jahren zu spät war. Dass es in der Familie Darmkrebs gab, war bekannt, nicht aber, dass die Gefahr so gravierend ist.
Nach Studien haben direkte Verwandte von Patienten mit Kolonkarzinomen - und Adenomen! - ein zwei- bis dreifach höheres Risiko als der Durchschnitt, zudem erkranken sie zehn Jahre früher. Deshalb sollten diese etwa 2,3 Millionen Menschen schon ab 40 zur Vorsorge gehen, und zwar gleich zur Koloskopie.
Ärzte Zeitung: Wie will man die Risikogruppen herausfischen?
Maar: Mit einem Fragebogen à vier Fragen, den wir 2003 mit Genetikern erarbeitet haben. Vorher waren die Kriterien zu kompliziert. Nun wollen wir ihn validieren, möglichst in einem Zug mit dem Einladungsverfahren. Stellt sich heraus, dass er die Richtigen identifiziert, bleibt zu klären, wie er routinemäßig eingesetzt wird. Eine Option: der Check-up 35.
Ärzte Zeitung: Werden die Kassen bald immunologische Tests zahlen?
Maar: Das ist eine weitere Empfehlung im Nationalen Krebsplan, denn die Tests sind Studien zufolge um Klassen sensitiver als der alte FOBT. Problem ist die Standardisierung. Eine hohe Zahl falsch positiver Befunde zieht viele Koloskopien nach sich, und das will man weder Patienten noch Kassen zumuten. Wenn die Hersteller ähnliche Sensitivitäten und Spezifitäten einstellen, wird der GBA leichter zustimmen.
Ärzte Zeitung: Wie forcieren Sie die betriebliche Vorsorge?
Maar: Ein großes Potenzial bergen Kombi-Pakete mit Untersuchungen etwa zu KHK und Diabetes. Bei einer Aktion von EADS waren 70 Prozent der Mitarbeiter so auch zu Stuhltests bereit - weil sie dachten, das gehört dazu.
Sonst dümpeln die Teilnahmeraten in Unternehmen um die 20 Prozent. Derzeit machen wir mit dem Consulting-Unternehmen Booz & Co eine Studie, wieviel sich durch vermehrte betriebliche Vorsorge betriebs- und volkswirtschaftlich einsparen lässt.
Es könnten zig Milliarden sein. Für kleinere Firmen ohne den notwendigen werksärztlichen Dienst brauchte man allerdings Steueranreize, weil sie die Leistungen einkaufen müssen.
Ärzte Zeitung: Wie steht's mit Aktionen, um Hausärzte anzusprechen?
Maar: Hausärzte sind enorm wichtig für die Motivation der Patienten, müssen aber auch selbst aktiv werden. Wir mit unserem kleinen Team sind überfordert. Deshalb finde ich es immer toll, wenn die "Ärzte Zeitung" die Ärzte zum Darmkrebsmonat März informiert.
Das Gespräch führte Angela Speth.