BUCHTIPP DES TAGES

"Der Mutschler" - ganz neu und doch wohlbekannt

Mit einem Plus von 58 Seiten ist die neunte Auflage der "Arzneimittelwirkungen" kaum spürbar dicker geworden als die achte. Jedoch ist "der Mutschler" alles andere als eine simple Überarbeitung der Ausgabe von 2001. Das fällt bereits beim Wenden des Buchdeckels auf.

Veröffentlicht:

Die Aufschlagseiten haben Professor Ernst Mutschler und seine Koautoren, die Professoren Gerd Geisslinger, Heyo K. Kroemer, Peter Ruth und Monika Schäfer-Korting für einen Symbol-Wegweiser genutzt. Denn erstmals enthalten alle Grafiken des Pharmakologie-Lehrbuchs von der ersten bis zur letzten Seite eine einheitliche Symbolik. Wie in einer Landkarten-Legende werden die verwendeten 23 Symbole erklärt, sei es ein Ribosom, eine bidirektionale ATP-Pumpe oder ein spannungsabhängiger Ionenkanal.

Das grafisch-didaktische Konzept wurde in einem weiteren Punkt modernisiert und setzt damit Maßstäbe. So sind sämtliche Strukturformeln von Arzneimitteln, insgesamt mehr als 1300, neu und nach internationalen Empfehlungen gezeichnet worden. Auf einen Blick kann man zum Beispiel erkennen, wie sich der Kalziumkanalblocker Nifedipin von Lercanidipin strukturchemisch unterscheidet. Denn die jeweiligen strukturellen Unterschiede sind rot markiert. Ein anderes Beispiel für die optisch-didaktischen Innovationen findet sich im Virustatika-Kapitel. Die farbigen Abbildungen verdeutlichen, wie sich etwa Influenza- oder HI-Viren vermehren und wo die medikamentösen Angriffspunkte liegen.

Neue Inhalte, etwa zur Fahrtauglichkeit, kamen hinzu

Aber auch bei den Textinhalten gibt es eine große Liste von Neuerungen. Dazu gehören ein Kapitel zur Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit, viele neue Unterkapitel zum Beispiel über akute und chronische Wunden, zur androgenetischen Alopezie oder zur Makuladegeneration, über die photodynamische Tumortherapie sowie die Stammzelltherapie.

Im Vorwort betonen die Autoren, wie wichtig es sei, sowohl Nutzen als auch Risiken einer Pharmakotherapie gleichermaßen und ausgewogen zu vermitteln. In diesem Punkt haben die Autoren beim Balanceakt zwischen möglichst vollständiger Information und notwendiger Kürze einen guten Kompromiss gefunden, der freilich detaillierte Recherchen bei der praktischen Anwendung von Arzneimitteln nicht ersetzen kann. Dennoch spürt man beim Lesen, dass stets der Bezug zum klinischen Alltag wichtig war. Das wird auch daran deutlich, dass am Ende der Kapitel wesentliche Aussagen von Leitlinien der Fachgesellschaften eingearbeitet worden sind - sicherlich ein weiteres besonderes Merkmal dieses Pharmakologie-Lehrbuchs.

Interessant ist zudem, dass Mutschler und seine Kollegen einen kurzen Abschnitt darüber verfasst haben, was denn eine Pseudo-, eine Durchbruch- und eine Schrittinnovation in der Pharmakologie sei - ein geradezu politisches Kapitel. Ausgerechnet zu dem ja auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Begriff der "Pseudoinnovation" äußern sich die Autoren jedoch leider so gut wie gar nicht.

Seltene Krankheiten rücken zunehmend in den Fokus der klinischen Forschung und forschender pharmazeutischer Unternehmen, wie der Jahreskongress der Internisten in diesem Jahr gezeigt hat. Mit dem Kapitel "Orphan Drugs" führt Mutschler eine weitere Neuerung ein. Der Abschnitt ist zwar mit drei Seiten noch vergleichsweise kurz. Jedoch dürfte sich das bereits in der nächsten Auflage ändern, denn die gesetzlichen Bedingungen für die Erforschung seltener Krankheiten haben sich weltweit verbessert.

Das Buch ist eine Mischung aus Neuem und Bewährtem

Selbstverständlich sind im Buch alle neuen Wirkstoffgruppen und in den letzten Jahren neu zugelassene Arzneistoffe enthalten. Bei allem Neuen gibt es jedoch auch Dinge, die beibehalten worden sind: die klassische Einteilung in einen allgemeinen, einen speziellen und einen toxikologischen Teil zum Beispiel oder die kurzen Einführungen in Anatomie, Physiologie und Pathophysiologie. Auf diese Weise treffen die Fans des "Mutschler" nicht nur auf ein ganz anderes Buch, sondern auch auf einen guten Bekannten.

(ner)

Ernst Mutschler, Gerd Geisslinger, Heyo K. Kroemer, Peter Ruth, Monika SchäferKorting: Mutschler Arzneimittelwirkungen,

Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 9. Auflage 2008, 1244 Seiten,

Subskriptionspreis bis 30.06.08: 59,00 Euro, Preis: 68,50 Euro,

ISBN 978-3-8047-1952-1

Schlagworte:
Mehr zum Thema

Gesundheitsversorgungsgesetz

Alles für die Baby-Boomer: Entbudgetierung zunächst für Hausärzte

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Wo lang im Gesundheitswesen? Der SVR Gesundheit und Pflege empfiehlt mehr Richtungspfeile für alle Akteure.

© StefanieBaum / stock.adobe.com

Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege

Gesundheitsweise empfehlen Primärversorgung für alle – und Quotierung der Weiterbildung

„Wenn die Politik Wissenschaftlern sagen würde, wir wollen dieses oder jenes Ergebnis, ist das Propaganda.“ Klaus Überla – hier im Treppenhaus seines Instituts – über Einmischungen aus der Politik.

© Patty Varasano für die Ärzte Zeitung

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

Dr. Iris Dötsch Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin und Ernährungsmedizinerin hat die Hauptstadtdiabetologinnen, eines neues Netzwerk für Frauen in der Diabetologie, gegründet.

© snyGGG / stock.adobe.com

Hauptstadtdiabetologinnen

Ein Netzwerk für Diabetologinnen