Kommentar des Experten

Diabetes-Tagung: Diskussionen zu LADA und früher Insulintherapie

Frühe Insulintherapie, spät manifestierter Typ-1-Diabetes und Gestationsdiabetes: Das waren einige wichtige Themen bei der DDG-Tagung in Leipzig.

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

© sbra

Arbeits­schwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden. Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Man sollte bei Typ-2-Diabetes nicht zu spät mit Insulin beginnen, betonten die Professoren Hans-Georg Joost, Andreas Fritsche und Stephan Matthaei bei einem Symposium zur Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes. Eindeutig favorisieren sie die Basal-unterstützte orale Therapie (BOT) vor der Supplementären Insulin-Therapie (SIT).

BOT werde von Patienten im Vergleich besser akzeptiert und führe seltener zu Hypoglykämien. Durch Kombination mit oralen Antidiabetika kann viel Insulin (teuer!) eingespart werden. Bevorzugter Insulin-Kombinationspartner ist Metformin - vielleicht auch künftig bei übergewichtigen Typ-1-Diabetikern? Das orale Antidiabetikum senkt nicht nur Blutzucker und Lipide, es hemmt auch den Appetit und hat antikarzinogene Effekte.

Bei immerhin zehn Prozent der Typ-1-Diabetiker ist mit einer zusätzlichen späteren Manifestation eines Typ-2-Diabetes zu rechnen, wurde bei einem Symposium berichtet. Zu achten ist allerdings auch auf den "Late Onset Autoimmune Diabetes in Adults" (LADA).

Dabei herrscht ein umgekehrtes Prinzip vor: Der verzögert auftretende, anfänglich milde verlaufende Typ-1-Diabetes wird häufig als Typ-2-Diabetes verkannt. Die Bestimmung von Autoimmun-Markern demaskiert die Situation in der Regel völlig. Bei einem solchen als Typ-1-Diabetes erkannten Krankheitsbild sollte Insulin noch früher als bisher eingesetzt werden.

Beim Symposium "HAPO-Konsens oder HAPO-Nonsens" wurden die Implikationen der Internationalen "Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome"-Studie erörtert. Anhand der Studienresultate haben internationale Experten Grenzwerte des oralen Glukose-Toleranztests (oGTT) für die Diagnostik eines Gestationsdiabetes erarbeitet.

Fachgesellschaften wie die Deutsche Diabetes Gesellschaft halten dabei ein generelles Screening bei allen Schwangeren für erforderlich. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) steht dem kritisch gegenüber.

Die neuen Kriterien sind sehr strikt, ein einziger pathologischer Wert beim oGTT mit 75 g Glukose reicht für die Diagnosestellung aus: Nüchternblutzucker nicht über 93 mg/dl, Ein-Stunden-Blutzuckerwert nicht über 180 mg/dl und Zwei-Stunden-Wert nicht über 153 mg/dl. Für die Messungen darf ausschließlich Plasma verwendet werden.

Anhand dieser Kriterien würde sich die Prävalenz von Gestationsdiabetes in Deutschland deutlich erhöhen. In einer Studie von Ryan wurde dabei ein Anteil von Schwangeren mit Gestationsdiabetes von knapp 18  Prozent errechnet. Bei weniger strikten Diagnose-Kriterien würden allerdings bestimmte Schäden zum Beispiel im Schulterbereich des Föten unerkannt bleiben.

Auch Krankheitsrisiken wie erhöhtes Geburtsgewicht und erhöhtes C-Peptid im Nabelschnurvenenblut ließen sich nicht vermeiden. Das IQWiG argumentiert hingegen, dass man einen so hohen Anteil von Frauen nicht mit der Diagnose Gestationsdiabetes belasten sollte. Bei Diabetes-Experten der DDG-Tagung fand dies allerdings weniger Widerhall. Schließlich sind die Schäden, die es zu vermeiden gilt, gravierender als die psychische Belastung.

Eine doppelte Diagnostik auf Gestationsdiabetes wäre womöglich besonders günstig. Die Blutzuckerbestimmung würde dabei zu Beginn der Schwangerschaft und gegebenenfalls in der bisher üblichen Zeit von der 24. bis 28. Schwangerschaftswoche vorgenommen.

Wünschenswert wäre es zudem, wenn bei Kinderwunsch früher untersucht würde. So wäre ein Diabetes bereits in der Frühphase der Schwangerschaft bekannt und Fruchtschäden ließen sich vermeiden. Zumindest bei Risikopatientinnen (etwa bei vorangegangener pathologischer Schwangerschaft oder früherem Gestationsdiabetes) sollte man auf diese Weise vorgehen.

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Lesen sie auch
Mehr zum Thema

Zwei Phase-III-Studien gescheitert

Semaglutid offenbar wirkungslos gegen Alzheimer

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Anzeige | WÖRWAG Pharma GmbH & Co. KG
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Porträt: Dr. Jörg Sandmann | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Der hypogonadale Patient in der Hausarztpraxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Besins Healthcare Germany GmbH, Berlin
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau