Diskussion um Antidepressiva-Therapie

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HULL (mut). Eine neue Meta-Analyse zu modernen Antidepressiva schlägt derzeit Wellen: Danach sind sie nur bei schwer depressiven Patienten klinisch gut wirksam.

"Forscher bezweifeln die Wirksamkeit von Antidepressiva" lauten derzeit die Schlagzeilen in einigen Medien. Allerdings sind die Ergebnisse der neuen Meta-Analyse britischer Ärzte wenig überraschend: Die Wirksamkeit der Arzneien (drei SSRI und Venlafaxin) war auch in der Analyse von 35 Studien statistisch signifikant (PLoS Medicine 5, 2008, e45).

Allerdings war der Unterschied zwischen Placebo und Verum in den Studien bei mittelschweren Depressionen relativ gering. Erst bei Patienten mit schweren Depressionen war er deutlich ausgeprägt - dies ist auch schon aus anderen Analysen bekannt. Der Grund: Bei leichten und mittelschweren Depressionen ist der Placebo-Effekt relativ hoch, bei schweren Depressionen ist er geringer.

Das Besondere der neuen Analyse: Die Ärzte hatten auch bislang unveröffentlichte Studiendaten berücksichtigt - oft aus Studien, in denen die Arzneien wenig vorteilhaft abschnitten. Insgesamt ergab sich dennoch ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen Verum und Placebo von 1,8 Punkten auf der Hamilton-Depressionsskala.

Die britische Behörde NICE definiert jedoch erst einen Unterschied ab 3 Punkten als klinisch signifikant. Dieser Wert wurde nur bei Patienten ab etwa 28 Punkten erreicht (schwere Depression) - nicht jedoch, weil die Arzneien bei ihnen wirksamer, sondern weil der Placebo-Effekt geringer war. Über die Ergebnisse wird viel diskutiert. Die Autoren halten eine Arzneitherapie nur bei schwer Depressiven für angezeigt, andere Ärzte verweisen auf gute klinische Erfahrungen auch bei weniger schwer Erkrankten.

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