Studie aus den USA

„Dramatischer Anstieg“ bei Verletzungen durch E-Scooter

Schädel-Hirn-Traumata, Frakturen, Prellungen: Durch Unfälle mit E-Scootern haben die Rettungsstellen immer mehr zu tun. Das zeigen jetzt US-Daten. Auch deutsche Chirurgen sind alarmiert.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Rasant auf dem Elektrorollen: Ein Helm bewahrt vor schlimmen Unfallfolgen.

Rasant auf dem Elektrorollen: Ein Helm bewahrt vor schlimmen Unfallfolgen.

© Sina Schuldt/dpa

San Francisco. E-Scooter führen offenbar zu einer deutlichen Zunahme von Verletzten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. Von einer „dramatischen Steigerung“ berichten jetzt zumindest US-Forscher von der Universität in San Francisco (JAMA Surg 2020; online 8. Januar).

Ihrer Analyse zufolge ist die Zahl von Verletzungen wegen E-Scooter-Unfällen allein von 2017 bis 2018 um 222 Prozent „signifikant“ angestiegen. Die Zahl der Klinikeinweisungen sei um 365 Prozent gestiegen. Die Auswertung beruht auf Daten des „National Electronic Injury Surveillance System“ (NEISS). In diese Datenbank melden ausgewählte Notaufnahmen von US-Kliniken Verletzungen durch Gebrauchsgegenstände.

Darin konnten die Forscher um den Urologen Dr. Benjamin N. Breyer vom General Hospital in San Francisco für die zwei Beobachtungsjahre insgesamt 988 E-Scooter-assoziierte Fälle Verletzungsfälle ermitteln. Auf die USA hochgerechnet wären das in den zwei Jahren knapp 40.000 Fälle.

Chirurg nennt Zahlen „alarmierend“

36 Prozent aller Betroffenen waren der Auswertung zufolge Frauen. Die meisten Unfälle gab es, wenig verwunderlich, in Städten statt in ländlichen Gebieten (78 vs. 20 Prozent). Die restlichen zwei Prozent der Fälle wurden aus Kinderkliniken vermeldet.

Jeder dritte Patient (32 Prozent) erlitt den Unfall ein Kopftrauma. Das sei eine doppelt so hohe Rate an Kopfverletzungen wie bei Fahrradfahrern in den USA, so die Forscher.

Am häufigsten kam es zu Frakturen (27 Prozent), Prellungen und Abschürfungen (23 Prozent) sowie Schnittwunden (14 Prozent). Besonders betroffen sind offenbar 18- bis 34-Jährige.

Der Chirurg Dr. Christopher Spering von der Unimedizin Göttingen nennt die in den USA beobachteten Verletzungsmuster „alarmierend“. Nach seiner Beobachtung sind sie auch auf Deutschland übertragbar.

„Sowohl bei den Rollerfahrern als auch anderen Unfallbeteiligten wie etwa Fußgängern kommt es oft zu Schädel-Hirn-Traumata sowie Verletzungen der oberen und unteren Extremitäten“, sagte Spering, der bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) die Sektion Prävention leitet.

Überlastete Infrastruktur

Das liege auch an der Architektur der Fahrzeuge. „Was E-Scooter-Fahrer auszeichnet, ist, dass sie ein Fahrzeug mit einer in sich instabilen Konstruktion bedienen.“ Dazu gehörten die kleinen Räder und der kurze Lenker sowie die stehende Fahrweise auf einem schmalen Brett.

„Ohne Blinker können Rollerfahrer keine Richtungswechsel anzeigen, fehlende Bremslichter bedeuten, dass man ihre Geschwindigkeitswechsel nicht sehen kann, und sie sind so leise, dass man sie kaum hört.“

Zudem kämen die Nutzer als zusätzliche Akteure in eine Infrastruktur, die ohnehin schon damit überlastet sei, alle Teilnehmer sicher durch den Straßenverkehr zu leiten. Hiesige Unfallmediziner waren bereits seit längerem vor den Risiken durch E-Scooter.

Jenseits des Atlantiks hatten Verleihfirmen großflächig Anfang 2018 begonnen, die Roller in amerikanischen Städten zu verteilen, in Deutschland wurden E-Scooter im Juni 2019 zugelassen. Sie dürfen hierzulande nicht auf Gehwegen und in Fußgängerzonen fahren, sondern nur auf Radwegen und Radfahrstreifen. Gibt es diese nicht, müssen die Roller auf die Straße. Ein Führerschein ist nicht nötig.

Bundesstatistik erst seit 2020

Chirurg Spering überraschen die US-Daten nicht. Bei der Interpretation sei aber Vorsicht geboten: „Die Zahl der Scooterfahrer ist stark gestiegen, deswegen müsste man die Daten eigentlich mit den gefahrenen Kilometern korrelieren.“ Unabhängig davon könne man aber auch für Deutschland feststellen, dass die Menge der Verletzungen zugenommen habe.

Zu wie vielen Unfälle es bisher in Deutschland mit E-Scootern kam, kann nicht eindeutig beantwortet werden: Das Statistische Bundesamt erfasst sie erst seit Anfang 2020 in einer eigenen Kategorie der Unfallstatistik.

Allerdings haben die Bundesländer schon vorher gezählt. So vermeldete Bayern allein zwischen dem 27. Juni und 31. August vergangenen Jahres 38 Verkehrsunfälle mit E-Scooter-Beteiligung, Nordrhein-Westfalen 54 für einen ähnlichen Zeitraum und Berlin 74 für die ersten drei Monate nach der Einführung. (Mit Material von dpa)

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