Hintergrund

Dringend gesucht: Arzneien gegen -Amyloid und entgleiste Enzyme

Mit einer neuen Generation von Sekretase-Blockern, Impfstoffen und Entzündungshemmern wollen Forscher gegen Alzheimer vorgehen - und dabei aus Fehlschlägen in der Vergangenheit lernen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Im Fokus der Alzheimer-Forscher: b-Amyloid-Protein (orange).

Im Fokus der Alzheimer-Forscher: b-Amyloid-Protein (orange).

© Foto: Jens Husemann

Noch ist unklar, ob in den nächsten Jahren eine Therapie marktreif wird, die wirkungsvoll in die AlzheimerPathogenese eingreift. In diesem Jahr sind bereits einige Wirkstoffe in klinischen Studien gescheitert, zugleich geben neue Ansätze wieder Hoffnung, dass eine bessere Alzheimer-Therapie in Reichweite ist. Auf dem Neurologen-Kongress in Hamburg skizzierten Experten vor kurzem den aktuellen Stand beim Wettrennen um neue Alzheimer-Medikamente.

  • Bis mit ß-Sekretase-Hemmern eine Alzheimer-Therapie möglich ist, wird es wohl noch zehn Jahre dauern, schätzt Dr. Ulf Neumann von Novartis. ß-Sekretase ist eines der Schlüsselenzyme bei der Entstehung von toxischem ß-Amyloid, das in den Alzheimer-Plaques verklumpt. Die Entwicklung von Hemmstoffen gegen das Enzym ist jedoch nicht einfach, so Neumann. Einerseits müssten Hemmstoffe groß und polar sein, um das große aktive Zentrum des Enzyms zu blockieren, zugleich müssten sie aber möglichst klein und apolar sein, um die Blut-Hirnschranke zu überwinden. Die erste Generation von Sekretase-Hemmern scheitere an diesen Anforderungen: Sie blockierten das Enzym entweder nicht gut genug oder wurden von Transporterproteinen umgehend aus dem Gehirn befördert. Inzwischen habe Novartis jedoch eine Substanz entwickelt, die gut ins Gehirn gelangt und dort auch die ß-Sekretase wirkungsvoll lahmlegt. Im Tierversuch ließ sich die ß-Amyloid-Synthese damit drastisch eindämmen, so Neumann.
  • Mit Impfstoffen gegen ß-Amyloid ist man immerhin schon in klinischen Studien. Dr. Philippe Gustovic von Wyeth zeigte jetzt Daten der Phase-II-Studie mit dem ersten Alzheimer-Impfstoff AN1792, einem synthetischen ß-Amyloid-Peptid. Die Studie war 2002 abgebrochen worden, nachdem bei 18 der etwa 300 behandelten Patienten eine aseptische Meningoenzephalitis aufgetreten war. Ursache hierfür war offenbar ein Amoklauf von T-Zellen, bedingt durch einen Wechsel bei der Impfstoff-Formulierung, sagte Gustovic.

Die Suche nach Wirkstoffen läuft auf Hochtouren.

Wie jetzt eine Nachanalyse bei Patienten der Phase-II-Studie zeigte, gab es viereinhalb Jahre nach der Immunisierung bei der kognitiven Leistung keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen geimpften und nicht geimpften Teilnehmern. Allerdings schnitten diejenigen Patienten mit hohen Antikörper-Titern in kognitiven Tests etwas besser ab, benötigten weniger Betreuung und konnten eher zu Hause versorgt werden als Patienten mit Placebo-Impfung oder niedrigen Antikörper-Titern.

Doch auch hier hat man aus der Vergangenheit gelernt: Mit der Vakzine ACC001 soll die T-Zell-Reaktion nicht mehr überschießen, zudem sollen höhere Antikörper-Titer erreicht werden als mit der Vorgänger-Vakzine. Ermöglicht wird die bessere Immunantwort durch Kopplung der Vakzine an ein Peptid-Konjugat. Der neue Antikörper wird gemeinsam von Wyeth und Elan entwickelt und nun in einer Phase-II-Studie geprüft.

  • Statt eine Immunantwort bei Patienten zu induzieren, kann man auch gleich therapeutische Antikörper infundieren. Hierfür entwickeln Wyeth und Elan den monoklonalen Antikörper Bapineuzumab. In Tierversuchen entfernte er Amyloid ähnlich gut aus dem Hirn wie eine aktive Amyloid-Impfung. In der bereits abgeschlossenen Phase-II-Studie bei 234 Patienten mit milder bis moderater Alzheimer-Krankheit profitierten jedoch nur Patienten ohne ApoE4-Allel signifikant von der Therapie. Bei ihnen lag der Unterschied zu Placebo auf der ADAS-cog-Skala bei etwa 5 Punkten. Zum Vergleich: Mit den bisher verfügbaren Antidementiva werden im Schnitt Differenzen von etwa 3 Punkten erreicht.
  • Über einen ganz anderen Ansatz - die Blockade von Entzündungsprozessen - will Professor Michael T. Heneka vom Uniklinikum Bonn die Alzheimerprogression bremsen. Sein Ziel-Enzym ist die Stickstoffmonoxid-Synthase kurz NOS. Offenbar, so Heneka, steht das Enzym am Ende einer komplizierten Kaskade von Entzündungsprozessen. Es produziert Stickstoffmonoxid, das mit Peroxid weiter zu hochreaktivem Peroxinitrit reagiert und auf diese Weise wichtige Enzyme für den Zellstoffwechsel lahm legt. Die Kopplung der NO-Gruppe an Enzyme verändert deren räumliche Struktur und macht sie damit funktionsunfähig - diesen Trick verwenden etwa Makrophagen zur Abwehr von Erregern. Wurde bei Alzheimer-Mäusen das Gen für die induzierbare NOS-Isoform (iNOS) eliminiert, blieben die Tiere kognitiv gesund, sie bildeten auch keine Amyloid-Plaques. Als Grund vermutet Heneka, das iNOS auch Metalloproteinasen außer Kraft setzt. Diese bauen schädliches Amyloid mit ab. Ohne iNOS können sie also weiterarbeiten und Plaques verhindern.

Das Schöne an dem Ansatz: Er funktionierte im Tierversuch auch mit dem selektiven iNOS-Blocker L-NIL. Die Substanz, ein Derivat der Aminosäure Lysin, wurde bereits klinisch geprüft - allerdings als Asthma-Therapeutikum.

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