EU-Mitgliedsländer sollen Kampf gegen Allergien forcieren

BRÜSSEL. Nach Prognosen der Europäischen Akademie für Allergie und Klinische Immunologie (EAACI) wird bis zum Jahr 2015 voraussichtlich jeder zweite Europäer an einer Allergie leiden. In Deutschland reagiert nach Angaben von Allergologen heute schon jeder fünfte Erwachsene allergisch.

Von Petra Spielberg Veröffentlicht:

Europaabgeordnete, Ärzte und Patienten haben die Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) daher bei einem Alllergiegipfel in Brüssel dazu aufgefordert, ausreichende finanzielle Ressourcen für die Diagnose und Behandlung von Patienten mit allergischen Erkrankungen bereitzustellen und das Therapiemanagement von Allergiepatienten europaweit zu verbessern.

Klimaerwärmung mit gravierenden Folgen

Hausstaubmilben lösen einer Marktuntersuchung des Beratungsunternehmens TNS Healthcare mit 5277 Erwachsenen aus fünf europäischen Ländern zufolge am häufigsten Allergien aus. Aber auch Pollen, Nahrungsmittel, Tierhaare, Tabakrauch sowie andere Allergene verursachen allergische Symptome.

Außerdem trage die Klimaerwärmung dazu bei, dass die Heuschnupfensaison inzwischen zehn bis elf Tage länger andauert als noch vor einigen Jahren, so Dr. Roberto Bertollini von der WHO.

Alarmierend sei zudem die zunehmende Zahl von Allergien bereits bei Kindern, sagte Professor Ulrich Wahn, Direktor der Pädiatrischen Klinik des Berliner Charité-Virchow-Klinikums. Eines von vier Kindern zeige heute bereits allergische Reaktionen. Da die meisten von ihnen im Laufe ihres Lebens in der Regel unter wechselnden allergischen Symptomen, ausgelöst durch eine Vielzahl von Allergenen leiden würden, sei es oftmals sehr schwierig, die Erkrankung in den Griff zu bekommen.

"Große medizinische Herausforderung"

"Wir stehen hier vor einer der großen medizinischen Herausforderung des 21. Jahrhunderts", sagte der Allergologe. Um eine Verschiebung und Verschlimmerung der Symptome zu vermeiden, sei es wichtig, die Auslöser so früh wie möglich zu diagnostizieren und betroffene Patienten konsequent zu behandeln, so Wahn.

Zu den erforderlichen Maßnahmen gehörten zum Beispiel eine umfassende Aufklärung der Patienten über mögliche Allergene und Triggerfaktoren sowie die spezifische Immuntherapie.

Die Therapie von Allergiepatienten solle überall in erster Linie durch spezialisierte Allergologen erfolgen, so eine weitere Forderung der Teilnehmer des Brüsseler Allergiegipfels. Gleichwohl existiert die Allergologie als eigenständige Fachrichtung oder Subspezialisierung bislang nur in einigen EU-Ländern.

Fehldiagnosen und eine unzureichende Versorgung führten jedoch nicht nur dazu, dass sich die Beschwerden verschlimmern können, sondern verursachten darüber hinaus auch unnötige Kosten.

Die Stiftung Europäisches Zentrum für Allergieforschung (ECARF) beziffert die vermeidbaren Ausgaben, die den Volkswirtschaften in der EU jährlich durch Allergien entstehen, auf rund 20 Milliarden Euro.

Ansätze zur Optimierung der Diagnose- und Therapiemöglichkeiten könnte ein europäisches Forschernetzwerk liefern, an dem Experten aus 16 Ländern teilnehmen, darunter Genetiker, Immunologen, Dermatologen, Pädiater und HNO-Ärzte sowie Fachleute aus der Nahrungsmittelheilkunde.

Deutsche Partner des Projekts mit dem Namen Ga2len sind das Berliner Allergie-Centrum der Charité, die Münchner Technische Universität und die bayerische Ludwig-Maximilians-Universität. Die EU-Kommission unterstützt das Projekt mit 14 Millionen Euro. Ziel von Ga2len ist es, Daten zur Epidemiologie und Entstehung von Allergien zu sammeln und einheitliche Standards für die Diagnose und Therapie zu entwickeln. Hierzu dienen den Wissenschaftlern unter anderem Querschnittsuntersuchungen bei tausenden von Kindern ab der Geburt aus ganz Europa.



Allergien in Europa

Eine Studie der TNS Healthcare GmbH, München, aus 2006 ergab, dass Franzosen im europäischen Vergleich am häufigsten einen Arzt wegen allergischer Symptome aufsuchen. Dies gaben 54 Prozent der Befragten an, gefolgt von Spanien mit 52 Prozent. In Deutschland sind es 44 Prozent.

Einer von fünf Allergiepatienten in Europa hingegen unternimmt nichts gegen seine Erkrankung.

Die Kosten, die Allergien in den europäischen Gesundheitssystemen verursachen, beziffert die Europäische Akademie für Allergologie und Klinische Immunologie auf etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr. (spe)

Mehr zum Thema

Kommentar zu Allergenbelastung

Wenn der Bauernhof-Effekt zum Stall-Luftschloss wird

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

Wie Ärzte in Stresssituationen richtig reagieren können

Lesetipps
Umrisse mehrere Menschen in bunten Farben.

© Pandagolik / stock.adobe.com

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an