Eine Parodontitis erhöht auch das Krebsrisiko

Am Ende einer Parodontitis steht nicht immer"nur" der Zahnausfall. Auch Frühgeburten, Myokardinfarkte und nach neuesten Studiendaten sogar einige Krebserkrankungen kommen bei Menschen mit Parodontitis gehäuft vor. Professor Lothar Kanz aus Tübingen wird die Studien beim Praxis Update in Berlin, Wiesbaden und Düsseldorf vorstellen.

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Ärzte Zeitung: Herr Professor Kanz, wie deutlich ist der epidemiologische Zusammenhang zwischen schwerer Zahnfleischentzündung und einigen Krebserkrankungen?

Professor Lothar Kanz: In einer prospektiven Kohortenstudie über mehr als 17 Jahre wurden bei 50 000 Männern Daten erhoben. Für diejenigen, die eine Parodontitis hatten, war das Risiko, an einem Pankreaskarzinom zu erkranken, um 54 Prozent erhöht, also auf das Anderthalbfache. Das Risiko für Nierenzellkrebs, Lungenkrebs und hämatologische Krebserkrankungen war um 49, 36 und 30 Prozent gesteigert.

Ärzte Zeitung: Dabei spielten vermutlich doch aber noch andere Faktoren mit?

Kanz: Sicherlich, aber die Ergebnisse sind immerhin bereits um altersspezifische Unterschiede und den Einfluss von Körpergewicht und Nikotinabusus bereinigt. Eine andere aktuelle Studie hat sogar ein um 64 Prozent höheres Risiko für Pankreastumoren bei Menschen mit Parodontitis erbracht.

Ärzte Zeitung: Wie erklärt man sich diese überzufällige Häufung besonders aggressiver Krebserkrankungen bei Parodontitispatienten?

"Für diejenigen, die eine Parodontitis hatten, war das Risiko, an einem Pankreas- karzinom zu erkranken, um 54 Prozent erhöht ..." Professor Lothar Kanz Universitätsklinikum Tübingen, Medizinische Klinik, Abteilung II

"Für diejenigen, die eine Parodontitis hatten, war das Risiko, an einem Pankreas- karzinom zu erkranken, um 54 Prozent erhöht ..." Professor Lothar Kanz Universitätsklinikum Tübingen, Medizinische Klinik, Abteilung II

© Foto: privat

Kanz: Die Mechanismen sind noch nicht genau erforscht. Man nimmt aber an, dass chronische Entzündungen im Rahmen der bakteriellen Infektionen des Zahnfleisches eventuell das Bindeglied sind. Dafür sprechen die Ergebnisse einer ganz anderen, nicht-onkologischen Studie: Hier wurden Herzinfarkt-Patienten mit komorbider Parodontitis zahnärztlich behandelt. Zu Beginn der Studie waren ihre Werte für C-reaktives Protein und Interleukin-6 etwas erhöht. Nach Sanierung ihres Zahnfleischs, sechs Monate später, lagen diese Marker, die man gemeinhin mit einer chronischen Entzündung in Verbindung bringt, wieder im Referenzbereich.

Ärzte Zeitung: Wenn Parodontitis womöglich ein Risikofaktor für Krebs ist: Was kann man tun, um gleich die Parodontitis zu verhindern?

Kanz: Parodontitis entsteht teils aufgrund genetischer Disposition, vor allem aber auch durch unzureichende Mundhygiene und den Einfluss des Rauchens. Schon bei der obligatorischen Inspektion der Mundhöhle dürften viele Hausärzte Missstände im Zahnfleisch ihrer Patienten entdecken. Die Betroffenen sollten motiviert werden, in allernächster Zeit ihren Zahnarzt aufzusuchen und dort die Parodontitis oder eine noch nicht so weit fortgeschrittene Parodontose behandeln zu lassen. Der Zahnarzt wird sie beraten, damit es anschließend gar nicht erst wieder so weit kommt.

Das Interview führte Simone Reisdorf. Weitere Informationen und Anmeldung zur mit 16-CME-Punkten zertifizierten Veranstaltung unter: www.praxis-update.com

Praxis Update: 16 CME-Punkte

Das Praxis Update findet dieses Jahr in Berlin, Wiesbaden und Düsseldorf statt. Jeder Teilnehmer kann sich an zwei Tagen einen Überblick über die neuen Entwicklungen in der gesamten Allgemeinmedizin verschaffen, etwa in Kardiologie, Rheumatologie, Diabetes, Geriatrie oder Dermatologie. Auf vielfachen Wunsch wird dieses Jahr die Pädiatrie mit Schwerpunkt Impfung aufgenommen. Neu ist auch Nephrologie. Das Praxis Update ist mit 16 CME-Punkten zertifiziert.

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