Engpässe bei Kinder-Impfstoffen: Für alle betroffenen Vakzinen gibt es Alternativen

GlaxoSmithKline (GSK) wird vorgeworfen, es habe sich zu stark auf den Pandemie-Impfstoff konzentriert und dabei die Produktion wichtiger Kinder-Impfstoffe vernachlässigt. Lieferengpässe seien aber bei der Herstellung von Biologika nicht immer zu vermeiden, wehrt sich GSK.

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Die letzte Packung Sechsfachvakzine im Kühlschrank: Vielen Arztpraxen gehen jetzt Kinder-Impfstoffe aus. © [M] Packung: GSK | Arzthelferin: Kzenon / fotolia.com

Die letzte Packung Sechsfachvakzine im Kühlschrank: Vielen Arztpraxen gehen jetzt Kinder-Impfstoffe aus. © [M] Packung: GSK | Arzthelferin: Kzenon / fotolia.com

© [M] Packung: GSK | Arzthelferin: Kzenon / fotolia.com

Das Unternehmen GlaxoSmithKline (GSK) kann zur Zeit sieben seiner Kinder-Impfstoffe nicht liefern. Eingeräumt werden Schwierigkeiten bei der Produktion, die allerdings - anders als in vielen Medien berichtet - nur zum Teil durch die Herstellung des Schweinegrippe-Impfstoffs Pandemrix® bedingt seien. Am 8. Februar nachmittags meldete GSK, dass der Sechsfach-Impfstoff Infanrix hexa ® ab Montag, 15. Februar, wieder lieferbar ist. 200.000 Dosen seien bereits vom Paul-Ehrlich-Institut freigegeben.

Für alle betroffenen Impfstoffe gibt es zur Zeit (noch) Alternativen auf dem Markt, betont das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Langen. Allerdings müssen zum Teil Impfstoffkombinationen durch Einzel-Impfstoffe ergänzt werden. Mit Vorrang sollten jetzt Säuglinge und Kleinkinder grundimmunisiert und Auffrischimpfungen verschoben werden, rät das PEI. GSK hofft, bis Ende Februar die wichtigsten Impfstoffe wieder liefern zu können. Nicht verfügbar sind nach Angaben von GSK zurzeit:

  • die Sechsfach- und Fünffach-Impfstoffe Infanrix® (Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Hib und Polio sowie Hepatitis B),
  • die MMRV-Impfstoffe Priorix® Tetra (Masern, Mumps, Röteln, Varizellen),
  • die Dreifach- und Vierfach-Impfstoffe Boostrix® (Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Polio, Ausnahme Einerpackung Vierfachimpfstoff) sowie die Impfstoffe gegen Rotaviren und Varizellen (Rotarix® und Varilrix®).

Das PEI verweist als mögliche Alternative zur Überbrückung des Engpasses auf weitere in Deutschland zugelassene Kombinations- und Einzelimpfstoffe (www.pei.de/impfstoffe). So gibt es von Sanofi-Pasteur MSD den Fünffach-Impfstoff Pentavac® sowie einen MMR-Impfstoff, einen Windpocken- und einen Rotavirus-Impfstoff. Im Einzelfall ist allerdings zu prüfen, ob damit bereits begonnene Impfserien vervollständigt werden können.

Für die Überbrückungs-Zeit empfiehlt das PEI einer Grundimmunisierung von Kindern gegenüber Auffrischimpfungen den Vorrang zu geben. Für den Impfstoff Infanrix® hexa sollte dabei die erste und zweite Impfung prioritär vor einer Auffrischimpfung erfolgen. Bei der Masern-Mumps-Röteln-Windpocken-(MMRV)-Impfung könne die zweite Impfung später nachgeholt werden. Die zweite MMRV-Impfung dient dazu, eventuelle Impflücken zu schließen.

Schwere Vorwürfe äußerte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Wolfram Hartmann in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. "Keuchhusten bei Säuglingen kann lebensgefährlich sein, und eine Hib-Infektion kann zu Kehlkopfentzündung oder Hirnhautentzündung führen, die beide den Tod bedeuten können", erklärte Hartmann und übte scharfe Kritik an GSK: "Die haben die Produktion des Schweinegrippe-Impfstoffs Pandemrix® angenommen, weil damit viel Geld zu verdienen war und haben die Bedürfnisse von Kindern hinten angestellt." 

Er sprach von einen "nicht hinnehmbaren Skandal", der die Politik auf den Plan rufen müsse. "Wir können nicht akzeptieren, dass die Kinder-Sicherheit gefährdet wird, weil sich ein Pharmaunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen für die Produktion lukrativerer Impfstoffe entscheidet." "Man weiß vorab genau, welche Menge nötig ist. Diese Mengen müssen über Lieferverträge gesichert sein.

Die Impfstoffe sind mehrere Jahre haltbar und können mühelose eingelagert werden." GSK habe Anfang Januar die Kinderärzte auf drohende Engpässe hingewiesen. Hartmann kritisiert aber: "Es wurde so kurzfristig informiert, um Hamsterkäufen vorzubeugen". Nun säßen schon viele Praxen auf dem Trockenen. Es sei unklar, wie lange es keine Lieferungen mehr geben werde.

Kritik kommt auch von der SPD. "Das ist eigentlich unverantwortlich von den Herstellern", sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner. GSK ist unter anderem wegen der Produktion des Impfstoffs gegen Schweinegrippe ausgelastet. "Man hätte - als man die Verträge abgeschlossen hat - sicherstellen müssen, dass es da keine Lieferengpässe gibt", sagte Ferner mit Blick auf die Bestellung der Schweinegrippe-Impfstoffe der Bundesländer im vergangenen Juli.

GSK bedauere die Verzögerungen sehr, heißt es in einer Stellungnahme. Diese seien aber nicht ausschließlich auf die massenhafte Herstellung von Pandemrix® zurückzuführen. Die Produktion von Impfstoffen sei ein sehr komplexer biotechnischer Prozess. "Die Herstellung unseres Sechsfach-Impfstoffs beispielsweise dauert in der Regel ein Jahr." GSK weist darauf hin, dass Kliniken mit kritisch kranken Kindern, bei denen eine Impfung unumgänglich ist (wie Frühgeborene) aus einer Notreserve beliefert werden. (eis/dpa)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Wie viel Staat soll es denn nun sein?

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