Halbiert ASS langfristig Darmkrebsrate?

BERLIN (gvg). Die Frage ist ein Dauerbrenner: Schützt ASS vor Darmkrebs, oder schützt sie nicht? Neue prospektive Langzeitdaten zeigen jetzt, dass der Schutzeffekt sehr ausgeprägt sein könnte - wenn der Beobachtungszeitraum nur lang genug ist.

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ASS schützte Patienten mit Lynch-Syndrom vor Darmkrebs, selbst lange, nachdem sie die Einnahme beendet hatten.

ASS schützte Patienten mit Lynch-Syndrom vor Darmkrebs, selbst lange, nachdem sie die Einnahme beendet hatten.

© Foto: Sebastian Kaulitzkiwww.fotolia.de

Die jetzt auf dem Europäischen Onkologenkongress in Berlin vorgestellten Daten stammen aus einer Studie, die schon Mitte der 90er Jahre begonnen wurde. Es handelte sich um eine Multicenter-Studie, an der Patienten mit Lynch-Syndrom teilnahmen. Diese Erkrankung ist eine Form des erblichen kolorektalen Karzinoms (CRC). Die Patienten haben einen Gendefekt in einem DNAReparaturgen, dem hMSH2-Gen.

Die Studie war ursprünglich auf vier Jahre angelegt. Die Patienten nahmen 600 mg Acetylsalicylsäure (ASS) pro Tag oder Placebo ein. "Es gab nach im Median zweieinhalb Jahren keinen Unterschied in den Karzinomraten", berichtete Professor John Burn vom Institute of Human Genetics an der Universität Newcastle. Diese Daten hatte Burn vor einiger Zeit im New England Journal publiziert (359, 2008, 2567).

Doch mittlerweile sieht die Sache anders aus: Burn und seine Kollegen haben 711 von ursprünglich 1071 Patienten bis zu zehn Jahre lang weiter medizinisch beobachtet. Nach im Median vier Jahren gingen die Kurven auseinander - obwohl die Patienten nach Ende der ursprünglichen Studie keine Acetylsalicylsäure mehr eingenommen hatten.

Bei insgesamt 52 Patienten trat bisher ein kolorektales Karzinom auf. 35 davon stammen aus der ursprünglichen Placebogruppe, 17 aus der Verumgruppe. Bei sechs Patienten kam es zu multiplen kolorektalen Karzinomen, fünf davon in der Placebogruppe. Und das Risiko für alle Lynch-Syndrom-assoziierten Karzinome - neben dem kolorektalen Karzinom ist das vor allem das Endometriumkarzinom - sank um signifikante 38 Prozent.

Burn sagte in Berlin, dass er sich gut vorstellen könne, dass diese Daten zumindest partiell auf das sporadische CRC übertragbar sein könnten. "Bei mindestens jedem sechsten sporadischen CRC-Patienten spielen Defekte in Genreparaturenzymen eine Rolle", betonte er. Er plant jetzt eine neue, größere Studie mit unterschiedlichen ASS-Dosierungen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Frag-Würdiges zu Darmkrebs

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Kommentare
Dr. Stefan Krüger 22.09.200919:01 Uhr

Lynch-Syndrom: nicht nur MSH2

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass das Lynch- oder HNPCC-Syndrom nicht nur durch Mutationen in dem Mismatch-Repair-(MMR-)Gen MSH2 sondern auch durch Mutationen in den MMR-Genen MLH1, MSH2 und PMS2 verursacht wird. An der im Beitrag zitierten CAPP2-Studie nahmen Patienten mit MLH1-, MSH2- und MSH6-Mutationen teil, weil die Datenlage zu PMS2 zu Beginn der Studie noch nicht ganz eindeutig war, inzwischen steht die Bedeutung von PMS2 aber außer Frage.

Dr. med. Stefan Krüger, Dresden
FA für Humangenetik und Chirurgie

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