Vorhofflimmern

Heute früher erkannt, erfolgreicher behandelt

Über 50 Jahre hinweg hat sich die altersadjustierte Prävalenz von Vorhofflimmern vervierfacht. Dies liegt wohl zum großen Teil an einer früheren Diagnose und besseren Überlebenschancen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
EKG-Untersuchung: Hat dieser Patient ein Vorhofflimmern ?

EKG-Untersuchung: Hat dieser Patient ein Vorhofflimmern ?

© Dumitrescu Ciprian / fotolia.com

FRAMINGHAM. In einer Analyse von Daten der Framingham-Studie aus den Jahren 1958 bis 2008 haben Forscher um Dr. Renate Schnabel vom National Heart, Lung and Blood Institute in Framingham langfristige Trends zur Inzidenz, Prävalenz, Morbidität und Mortalität bei Vorhofflimmern (VHF) aufgespürt.

Diese deuten darauf, dass VHF heute früher erkannt und erfolgreicher behandelt wird: Die Betroffenen leben deutlich länger.

Für die Analyse wurden Daten von über 9500 älteren Personen ausgewertet, die im Laufe der fünf Dekaden an der Studie teilgenommen hatten. Über 202.000 Personenjahre wurden erfasst (Lancet 2015; 386: 154-62).

Im Laufe der Studie entwickelten 1544 Teilnehmer (16 Prozent) ein VHF. Die Erkrankung wurde häufig bei den zweijährlichen EKG-Untersuchungen durch die Studienärzte entdeckt, für ihre Analyse wurden aber auch Diagnosen von Ärzten außerhalb der Studie berücksichtigt.

Altersadjustierte Prävalenzraten

Die VHF-Prävalenz hatte über die fünf Dekaden hinweg auch unter Berücksichtigung des Alters deutlich zugenommen. Lag sie bei den Männern zwischen 1958 und 1967 noch bei 20 pro 1000 Personenjahre, so hatte sie sich im Zeitraum von 1998 bis 2007 mit 96 pro 1000 Personenjahre fast verfünffacht.

Bei den Frauen war in diesem Zeitraum eine ähnliche Entwicklung zu beobachten: Hier stieg die Prävalenz von rund 14 auf 49 pro 1000 Personenjahre.

Auch die altersadjustierten Inzidenzraten vervierfachten sich, und zwar von 3,7 auf 13,4 bei den Männern und von 2,5 auf 8,5 bei den Frauen - bezogen jeweils auf 1000 Personenjahre.

Etwas weniger dramatisch sieht die Entwicklung aus, betrachtet man nur die VHF-Diagnosen der Framingham-Ärzte nach den Standard-EKG-Untersuchungen. Nach diesen Daten hat sich die Prävalenz nur verdoppelt, bei der Inzidenz gibt es über die Dekaden hinweg keine signifikante Zunahme.

Positive Zahlen meldet das Team um Schnabel zur Sterberate: Sie war in der jüngsten Dekade bei den VHF-Patienten um etwa ein Viertel geringer als in der ersten, wenn Alter, Begleiterkrankungen und Risikofaktoren berücksichtigt wurden.

Deutliche Veränderungen gab es auch bei den VHF-Risikofaktoren: Rauchten Ende der 50er-Jahre noch 41 Prozent der Patienten mit neu diagnostiziertem VHF, so waren es in den Nullerjahren nur noch knapp 13 Prozent.

Im selben Zeitraum halbierte sich auch der Anteil der VHF-Patienten mit moderatem oder hohem Alkoholkonsum (von etwa 10 auf 5 Prozent), ebenso der Anteil mit hohem Blutdruck (systolisch über 160 mmHg): Er sank von 39 auf 17 Prozent.

Dafür verdreifachte sich fast der Anteil von neu erkannten VHF-Patienten mit Antihypertensiva (von 22 auf 60 Prozent). Deutlich gestiegen ist ebenfalls der Anteil der Adipösen und der Diabetiker unter den neu diagnostizierten VHF-Patienten.

Verschiebungen bei Risikofaktoren

Am Einfluss der einzelnen Risikofaktoren hat sich über die Dekaden hinweg jedoch wenig getan: Hohes Alter, linksventrikuläre Hypertrophie, Hypertonie, Herzinsuffizienz, Diabetes sowie Herzgeräusche gehen mit den höchsten Risiken für ein VHF einher.

Da sich die Prävalenz der einzelnen Risikofaktoren ändert, verschiebt sich auch ihre Bedeutung für das VHFRisiko in der Bevölkerung.

So tragen heute Übergewicht und eine behandelte Hypertonie am stärksten zur VHF-Inzidenz bei und erklären jeweils ein Sechstel und ein Fünftel der Erkrankungen. Ende der 50er- und in den 60er-Jahren ließ sich jedes zweite Vorhofflimmern rein rechnerisch auf einen erhöhten systolischen Blutdruck zurückführen.

Was lässt sich nun aus den Daten schließen? Die Forscher um Schnabel vermuten, dass die VHF-Inzidenz vor allem deswegen gestiegen ist, weil Risikopatienten heute besser auf Arrhythmien untersucht werden.

Mit den Standard-EKG-Untersuchungen alle zwei Jahre in der Studie ließ sich über die Jahre hinweg jedenfalls keine signifikante Häufung von VHF-Neuerkrankungen feststellen. Da die Patienten heute aufgrund einer früheren und besseren Therapie seltener an den Folgen des VHF sterben, steige auch die Prävalenz der Erkrankung.

Wenn schon das VHF-Risiko insgesamt wohl kaum gestiegen ist, so gab es doch deutliche Verschiebungen bei den Risikofaktoren: Heute lässt sich ein beachtlicher Teil der Erkrankung auf die Adipositas-Epidemie und ihre Folgen zurückführen.

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