Reanimation
Hypertone Kochsalzlösung belebt manches Herz wieder
Nach einem präklinischen Herzstillstand profitieren Patienten von der Gabe einer hypertonen Kochsalzlösung während der Wiederbelebungsmaßnahmen. Das zeigen Daten des Deutschen Reanimationsregisters.
Veröffentlicht:GÖPPINGEN. Nach einem präklinischen, nichttraumatisch ausgelösten Herzstillstand profitieren Patienten von der Applikation einer hypertonen Kochsalzlösung/Hydroxyethylstärke während der Wiederbelebungsmaßnahmen.
Bei mehr Patienten kommt es zum Spontankreislauf, und der Anteil der Patienten, die in der Klinik weiter versorgt werden können, ist ebenfalls höher als bei Patienten ohne diese Strategie.
Bereits in Untersuchungen von 2012 durch Dr. Christopher Hahn von der Klinik am Eichert in Göppingen und seinen Kollegen deutete sich an, dass die Verabreichung von hypertoner Kochsalzlösung mit geringem Volumen ein sicheres Verfahren während der Reanimation zu sein scheint, um die ROSC (return of spontaneous circulation) und die Krankenhausaufnahmerate zu steigern.
Durch die Auswertung von Daten des Deutschen Reanimationsregisters ließen sich die Erkenntnisse jetzt in einer Matched-pairs-Studie festigen. Das Register, das etwa 17 Millionen Einwohner abdeckt, enthält die Daten von mehr als 27.000 Patienten nach einem präklinischen Herzstillstand. Ausgangspunkt für die Studie waren die Befunde von mehr als 11.000 Patienten.
Daten von 322 Patienten analysiert
Die für die retrospektive Fall-Kontroll-Studie schließlich ausgewählten Daten stammten von 322 Patienten, die während der Reanimationsmaßnahmen 2 ml/kg KG hypertone Kochsalzlösung (7,2%) mit 6% Hydroxyethylstärke (200,000/0,5), in Deutschland als HyperHAES® erhältlich, verabreicht bekamen, und einer gleich großen Vergleichsgruppe ohne diese pharmakologische Therapie.
14 Matching-Kriterien - wie Geschlecht, Alter, erster Rhythmus defibrillierbar, Kollaps beobachtet sowie kardiale Ursache - wurden definiert, um zwei annähernd gleiche Studiengruppen zu haben. Infundiert wurde intravenös über einen Zeitraum von zehn Minuten während der Reanimation vor dem Spontankreislauf.
Die Daten stammen aus dem Zeitraum zwischen 2000 und 2011; die Patienten wurden somit nach den europäischen Reanimationsleitlinien von 2000 bzw. 2005 behandelt.
In der Verumgruppe setzte bei 190 Patienten (59 Prozent) ein Spontankreislauf ein, in der Vergleichsgruppe nur bei 136 Patienten (42,2 Prozent), ein signifikanter Unterschied (Resuscitation 2014; 85 (5), 628-636). Der Anteil der Patienten mit Spontankreislauf war zudem größer als der durch den RACA-Score vorhergesagte Wert von knapp 45 Prozent.
Dabei steht RACA für "ROSC after cardiac arrest". Mit dem Score lässt sich anhand verschiedener Parameter individuell die Wahrscheinlichkeit berechnen, primär erfolgreich wiederzubeleben. Er erleichtert den "objektiven Vergleich verschiedener Rettungsdienste, Therapieansätze und weiterer Einflussgrößen". Das Ergebnis der Berechnung entspricht einer Odds Ratio (OR) von 1,97.
Auch der Anteil der Patienten, der nach den Wiederbelebungsmaßnahmen in einer Klinik weiterversorgt werden konnte, war in der Gruppe mit Infusion der hypertonen Kochsalzlösung signifikant höher (169 versus 108 Patienten bzw. 52,5 versus 33,5 Prozent).
Nach Ansicht von Hahn und seinen Kollegen könnte diese Zusatzbehandlung ein neuer pharmakologischer Ansatz sein, die Mikroperfusion von Herz und Gehirn während der präklinischen Reanimation nach einem nichttraumatischen Herzstillstand zu verbessern. Zu prüfen sei in künftigen Studien der Effekt auf das Langzeitüberleben.
Langfristige Überlebensrate unklar
Trotz der positiven Studienergebnisse erinnern italienische Notfallmediziner um Dr. Claudio Sandroni aus Rom in ihrem Kommentar zur Studie daran, dass eine verbesserte Organperfusion und ROSC-Rate nicht unbedingt auch mit einer erhöhten Überlebensrate zum Zeitpunkt der Klinikentlassung einhergehen.
Todesfälle nach erfolgreicher Reanimation würden bei vielen Patienten als eine Spätfolge von Hirnschädigungen nach Sauerstoffmangelzuständen vorkommen. Zudem habe in der Studie die Entscheidung für die Infusion der hypertonen Kochsalzlösung bei dem behandelnden Arzt gelegen.
Worauf dieser jeweils die Entscheidung gegründet habe, sei unklar. Für die Empfehlung zur routinemäßigen Anwendung der Strategie reichten auch die neuen Studiendaten nicht aus.